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„Das gesprochene Wort“: Beispielhafte Reden

13. Juni 2019 – Vorwort

Der kategorische Imperativ lautet in seiner Grundform: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Er ist im System Immanuel Kants das grundlegende Prinzip der Ethik. Er gebietet allen endlichen vernunftbegabten Wesen und damit allen Menschen, ihre Handlungen darauf zu prüfen, ob sie einer für alle, jederzeit und ohne Ausnahme geltenden Maxime folgen und ob dabei das Recht aller betroffenen Menschen, auch als Selbstzweck, also nicht als bloßes Mittel zu einem anderen Zweck behandelt zu werden, berücksichtigt wird. Der Begriff wird in Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (GMS) vorgestellt und in der Kritik der praktischen Vernunft (KpV) ausführlich entwickelt.      (WG)

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 12. Juni 2019:    

   
 

Giovanni di Lorenzo
 
     
 

Lieber Herr Gärtner,

 

lesen Sie morgen in der neuen Ausgabe der ZEIT:

Er ist der berühmteste lebende Philosoph – er glaubt an die Vernunft des Menschen und an die Widerstandskraft der Demokratie. Nun wird Jürgen Habermas 90 Jahre alt. Eine Würdigung aus aller Welt. 

Lesen Sie außerdem im Dossier: Seit mehr als einem Vierteljahrhundert warnen Wissenschaftler vor der Klimakatastrophe. Warum folgt niemand ihrem Rat?

Die neue ZEIT – ab morgen am Kiosk!

Ihr

Giovanni di Lorenzo    
Chefredakteur

 

… zum Thema:  aus Wikipedia, Stand:  , gekürzt

Jürgen Habermas, 1929 – 

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Jürgen Habermas 2014

Jürgen Habermas (* 18. Juni 1929 in Düsseldorf) zählt zu den weltweit meistrezipierten Philosophen und Soziologen der Gegenwart. In der philosophischen Fachwelt wurde er durch Arbeiten zur Sozialphilosophie mit diskurs-, handlungs- und rationalitätstheoretischen Beiträgen bekannt, mit denen er die Kritische Theorie auf einer neuen Basis weiterführte. Für Habermas bilden kommunikative Interaktionen, in denen rationale Geltungsgründe erhoben und anerkannt werden, die Grundlage für die Handlungskoordinierung vergesellschafteter Individuen, deren Handlungsräume durch den Dualismus von System und Lebenswelt bestimmt werden.

Habermas ist der bekannteste Vertreter der nachfolgenden Generation der Kritischen Theorie mit nationaler und internationaler Reputation. Nicht zuletzt durch regelmäßige Lehrtätigkeiten an ausländischen Universitäten, vor allem in den USA, sowie aufgrund von Übersetzungen seiner wichtigsten Arbeiten in mehr als 40 Sprachen werden seine Theorien weltweit diskutiert.

Wegen der Vielfalt seiner philosophischen und sozialwissenschaftlichen Aktivitäten gilt Habermas als ein produktiver und engagierter öffentlicher Intellektueller. Vom hegelianisch-marxistischen Ursprung der Frankfurter Schule hat er sich durch die Rezeption und Integration eines breiten Spektrums neuerer Theorien gelöst. Er verband den historischen Materialismus von Karl Marx mit dem amerikanischen Pragmatismus, der Entwicklungstheorie von Jean Piaget und Lawrence Kohlberg und der Psychoanalyse von Sigmund Freud. Zudem beeinflusste er maßgeblich die deutschen Sozialwissenschaften, die Moral– und Sozialphilosophie. Meilensteine waren vor allem seine Theorie des kommunikativen Handelns und, wiederholt inspiriert durch die diskurstheoretische Auseinandersetzung mit Karl-Otto Apel, seine Diskurstheorie der Moral und des Rechts.

Als übergeordnetes Motiv seines multidisziplinären Werks gilt ihm „die Versöhnung der mit sich selber zerfallenden Moderne“. Dazu verfolgt er die Strategie, anders als Apel generell auf Letztbegründungen zu verzichten und „die universalistischen Fragestellungen der Transzendentalphilosophie, bei gleichzeitiger Detranszendentalisierung des Vorgehens und der Beweisziele, aufzunehmen“.[4] Habermas war an allen großen theoretischen Debatten der Bundesrepublik beteiligt und bezog zu gesellschaftspolitischen Kontroversen, wie Historikerstreit, Bioethik, deutsche Wiedervereinigung, Europäische Verfassung und Irak-Krieg, mit dem Engagement eines „öffentlichen Intellektuellen“ dezidiert Stellung.

Jürgen Habermas wurde in Düsseldorf geboren, wuchs aber in der Kleinstadt Gummersbach auf, wo sein Vater, Ernst Habermas, Geschäftsführer der dortigen Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer zu Köln war. Sein Großvater war der Theologe Friedrich Habermas, der zuletzt das Lehrerseminar in Gummersbach leitete. Das politische Klima in seinem Elternhaus beschreibt er als „geprägt durch eine bürgerliche Anpassung an eine politische Umgebung, mit der man sich nicht voll identifizierte, die man aber auch nicht ernsthaft kritisierte“.

Habermas’ Vater war Mitglied der NSDAP seit 1933 und wurde nach seiner Heimkehr aus der amerikanischen Gefangenschaft als „Mitläufer“ eingestuft. Er selbst war, wie für Kinder ab 10 Jahren vorgeschrieben, Mitglied im Jungvolk, ab 1943 als Sanitäter, der andere Jungen in Erster Hilfe unterwies. Durch seine Einstufung als „Jungvolkführer“ konnte Habermas über die Altersgrenze hinaus weiter dem Jungvolk angehören und musste mit vierzehn Jahren nicht in die Hitlerjugend wechseln. Im Februar 1945 sollte er als 15-Jähriger wie schon sein älterer Bruder zur Wehrmacht eingezogen werden, während sich der Vater wieder als Freiwilliger gemeldet hatte, doch Jürgen Habermas verbarg sich so lange vor den Feldjägern, bis die US-Amerikaner die Gegend besetzten. Seine Tätigkeit im Jungvolk bildete im Jahr 2006 den Anlass zu einer heftigen Polemik. Joachim Fest hatte Habermas in seiner postum erschienenen Autobiographie als einen „dem Regime in allen Fasern seiner Existenz verbundenen HJ-Führer“ bezeichnet. Der Vorwurf, der vom Magazin Cicero veröffentlicht und von Habermas als „Denunziation“ zurückgewiesen wurde, erschien schließlich nach einer Zeugenaussage von Hans-Ulrich Wehler als haltlos.

Zwischen 1949 und 1954 studierte Habermas an den Universitäten Göttingen (1949/50), Zürich (1950/51) und Bonn (1951–1954). Er befasste sich mit Philosophie, Geschichte, Psychologie, deutscher Literatur und Ökonomie. Zu seinen Lehrern gehörten Nicolai Hartmann, Wilhelm Keller, Theodor Litt, Erich Rothacker, Johannes Thyssen und Hermann Wein.

Im Wintersemester 1950/51 begegnete Habermas erstmals Karl-Otto Apel, dessen „engagiertes Denken“ und Interesse für den amerikanischen Pragmatismus für seine weitere philosophische Entwicklung von großer Bedeutung wurde.

Habermas erregte 1953 erstmals öffentliches Aufsehen, als er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Rezension zu Heideggers „Einführung in die Metaphysik“ verfasste, einer Vorlesung mit gleichem Titel im Sommersemester 1935, die 1953 erstmals im Druck erschienen war. Heidegger hatte für den Druck das Wort von der „innere[n] Wahrheit und Größe“ der nationalsozialistischen Bewegung nicht gestrichen, was Habermas als Teil der „fortgesetzten Rehabilitation“ des Nationalsozialismus durch „die Masse, voran die Verantwortlichen von einst und jetzt“, scharf verurteilte. Zumal sich das inkriminierte Wort aus dem Zusammenhang der Vorlesung ergebe und „da diese Sätze 1953 ohne Anmerkung erstmals veröffentlicht wurden“, dürfte unterstellt werden, „dass sie unverändert Heideggers heutige Auffassung wiedergeben“.

Im Jahre 1954 wurde Habermas in Bonn mit seiner Arbeit Das Absolute und die Geschichte. Von der Zwiespältigkeit in Schellings Denken von Erich Rothacker und Oskar Becker promoviert. Danach schrieb er als freier Journalist für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Merkur, die Frankfurter Hefte und das Düsseldorfer Handelsblatt. Bereits als Student hatte er begonnen, Artikel für Zeitungen und Zeitschriften zu schreiben. Von 1952 bis 1956, als er eine Assistentenstelle in Frankfurt antrat, belief sich die Anzahl der geschriebenen und zum größten Teil veröffentlichten Artikel auf über 70.

1955 heiratete er Ute Wesselhoeft. Das Ehepaar hat drei Kinder. Tilmann Habermas (* 1956) ist seit 2002 Professor für Psychoanalyse an der Universität Frankfurt am Main, Rebekka Habermas(* 1959) seit 2000 Professorin für Geschichte an der Universität Göttingen, Judith Habermas (* 1967) ist im Verlagswesen tätig.

Vorne: Horkheimer und Adorno, hinten rechts: Habermas

Ein Stipendium brachte Habermas 1956 nach Frankfurt an das Institut für Sozialforschung. In der Zeit als Forschungsassistent bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno machte er sich mit den (zum Teil unter Verschluss gehaltenen) Schriften seiner beiden Direktoren und anderer Vertreter der Kritischen Theorie aus der Vorkriegszeit vertraut. In besonderem Maße wurde er von Herbert Marcuse beeinflusst, dem er erstmals 1956 begegnete. Unter dessen Einfluss orientierte sich seine Auffassung vom Marxismus am Denken von Freud und dem jungen Marx. Sein politisches Engagement in der Bewegung „Kampf dem Atomtod“ und seine als radikaldemokratisch rezipierte Einleitung zu der Instituts-Studie „Student und Politik“ lösten bei Horkheimer heftige Reaktionen aus, gegen die ihn Adorno zu verteidigen suchte. Der absehbare Konflikt um seine anstehende Habilitationsschrift bewog ihn zum Wechsel nach Marburg. Dank eines Habilitationsstipendiums der DFG konnte er sich 1961 in Marburg bei Wolfgang Abendroth mit der vielbeachteten Schrift Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft habilitieren.

Bereits 1961, noch vor Abschluss seines Habilitationsverfahrens, wurde Habermas nach Vermittlung von Gadamer außerordentlicher Professor an der Universität Heidelberg, wo er bis 1964 lehrte. Der Kontakt mit Gadamer hatte die Auseinandersetzung mit dessen Hermeneutik zur Folge. Zugleich beschäftigte sich Habermas mit der Analytischen Philosophie – vor allem der Spätphilosophie Wittgensteins – und dem amerikanischen Pragmatismus, besonders Charles Sanders Peirce, George Herbert Mead und John Dewey. In den Jahren 1963–1965 beteiligte sich Habermas am Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, der ihn zu einer folgenreichen Abhandlung über den erkenntnistheoretischen Status der Sozialwissenschaften motivierte. In dieser Auseinandersetzung entstanden diverse Aufsätze und eine seiner einflussreichsten Arbeiten, Erkenntnis und Interesse (1968).

Im Jahr 1964 wurde Habermas auf Horkheimers Lehrstuhl für Philosophie und Soziologie an der Universität Frankfurt berufen. Für seine Antrittsvorlesung „Erkenntnis und Interesse“ wählte er Horkheimers Aufsatz „Traditionelle und kritische Theorie“ (1937 in der Zeitschrift für Sozialforschung erschienen) als Anknüpfungspunkt. Diese wissenschaftstheoretische Argumentation entwickelte Habermas in dem – mit der Vorlesung gleichnamigen – Buch Erkenntnis und Interesse (1968) weiter. Er führte den Begriff des „erkenntnisleitenden Interesses“ ein, um Unterschiede in wissenschaftlichen Methoden und Theorien zu erklären. Gemeint ist damit keineswegs, wie häufig unterstellt, eine durch partikulare Gruppen- oder Klassen-Interessen gefärbte Erkenntnis. Vielmehr seien der menschlichen Gattung drei grundlegende Interessen eigen, die mit unterschiedlichen Methoden und Theorien verknüpft seien: das Interesse an technischer Verfügung über objektive Prozesse (empirisch-analytische Wissenschaften), das Interesse an lebenspraktischer Verständigung in der Kommunikationsgemeinschaft (Hermeneutik) und das Interesse an der Emanzipation von naturwüchsigem Zwang (sozialwissenschaftliche Ideologiekritik und Psychoanalyse).

Die ihm angebotene Leitung des Instituts für Sozialforschung lehnte er ab; stattdessen übernahm er mit Ludwig von Friedeburg die Leitung des „Seminars für Soziologie“, eine auf die Lehre beschränkte Dependance des Instituts. Seine Vorlesungen und Seminare bot er jeweils für Soziologen und Philosophen an.

Während der in Frankfurt erlebten Studentenrevolte spielte er eine exponierte Rolle. Bereits in den 1950er Jahren war Habermas für demokratische Reformen des Bildungswesens und der Hochschulen eingetreten und wurde als Vertreter der „Linken“ zu einem geistigen Anreger der Studentenbewegung 1967/68. Mit Rudi Dutschke u. a. nahm er in Hannover am Kongress „Bedingung und Organisation des Widerstands“ teil. Zur Konfrontation zwischen Habermas und radikalen Studenten kam es aufgrund unterschiedlicher Einschätzungen der gesellschaftspolitischen Situation. Wähnten sich der SDS und seine Anhänger in einer (vor-)revolutionären Situation, warnte Habermas vor der „verhängnisvollen Strategie“, die „Polarisierung der Kräfte um jeden Preis“ zu suchen und sprach von der „Scheinrevolution und ihren Kindern“. Schon Ende der 1960er Jahre hatte er die Position der sogenannten „verfassungsloyalen“ Linken entscheidend mitgeprägt. Nun ging er zunehmend auf Distanz zu den radikalen Studentengruppen um Rudi Dutschke, denen er einen rhetorisch leichtfertigen Umgang mit der Gewalt vorhielt, mit der Gefahr eines linken Faschismus, eine Wortwahl, die er später bedauerte.

Er wechselte 1971 nach Starnberg bei München, wo er bis 1981 gemeinsam mit Carl Friedrich von Weizsäcker das Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt leitete. Seinen Weggang von Frankfurt kommentierte er in einem Brief an Herbert Marcuse: „Irgendwie ist es ein ‚symbolischer Akt‘, der zum Ende der Frankfurter Schule gehört.“

Im Jahr seines Wechsels fand die Debatte mit Niklas Luhmann über dessen Systemtheorie statt (siehe dazu den Abschnitt bei Niklas Luhmann). 1973 wurde Habermas der Hegel-Preis der Stadt Stuttgart, 1976 der Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa verliehen.

Seine Arbeit als Forschungsdirektor am Starnberger Institut nahm er mit 15 Sozialwissenschaftlern auf, unter ihnen Claus Offe, Klaus Eder, Rainer Döbert und Volker Ronge. Zunächst war sie thematisch auf Krisenerscheinungen im hochentwickelten Kapitalismus konzentriert. Drei Arbeitsgruppen wurden gebildet, die sich mit Krisenphänomenen befassten. Mit dem 1973 veröffentlichten Band Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, der den programmatischen Bezugsrahmen lieferte, führte Habermas erste Diskussions- und Arbeitsergebnisse, zum Teil auf der Grundlage hausinterner Arbeitspapiere, zusammen. Seine Hauptarbeit widmete er indessen seinem Theorieprojekt über das kommunikative Handeln.

Im sogenannten „Deutschen Herbst“ 1977 nahm Habermas verstärkt zu tagespolitischen Streitpunkten Stellung. So wandte er sich gegen die Ausweitung des „Radikalenerlasses“ von 1972 und setzte sich mit der Theorie des Neokonservatismus und seiner Kritik an der Moderne auseinander.

1980 erhielt er den Theodor-W.-Adorno-Preis. 1981 veröffentlichte er sein Hauptwerk Theorie des kommunikativen Handelns, in dem er sich unter anderem auf George Herbert Mead, Max Weber, Émile Durkheim, Talcott Parsons, Georg Lukács und Theodor W. Adorno bezog.

Im gleichen Jahr trat er als Direktor des Max-Planck-Instituts zurück. Seine Absicht, nach Weizsäckers Ausscheiden den zukünftigen Schwerpunkt des Instituts ganz auf die Sozialwissenschaften zu legen, war an Dahrendorfs überraschender Absage gescheitert, als weiterer Direktor in das umgestaltete Institut einzutreten, und an der arbeitsrechtlich untermauerten Forderung der ehemaligen Mitarbeiter Weizsäckers aus der Ökonomie-Arbeitsgruppe, in das neu zu schaffende Institut übernommen zu werden.

Nach der Teilschließung des Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt kehrte er nach Frankfurt zurück, wo er von 1983 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1994 den Lehrstuhl für Philosophie mit dem Schwerpunkt Sozial- und Geschichtsphilosophie übernahm. Mitte der 1980er Jahre widmete sich Habermas im Rahmen eines von der Leibniz-Gemeinschaft und der DFG finanzierten fünfjährigen Forschungsprojekts rechtstheoretischen Fragestellungen und entwickelte in Faktizität und Geltung (1992) seine eigene Rechtsphilosophie und Theorie einer „deliberativen Demokratie“.

Im Jahr 1986 wandte sich Habermas in dem Artikel Die apologetischen Tendenzen in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung[22] gegen die – von ihm als revisionistisch bezeichnete – Argumentation einer Gruppe von Historikern (vornehmlich Ernst Nolte neben Michael Stürmer, Andreas Hillgruber und Klaus Hildebrand), den Nationalsozialismus mit dem Stalinismus auf einer Ebene zu vergleichen bzw. diesen als Vorläufer und Vorbild für jenen darzustellen. Der Beitrag stieß auf heftige Reaktionen und löste in der Folge den polemisch ausgetragenen Historikerstreit aus. An der deutschen Wiedervereinigung (1990) kritisierte Habermas den Charakter eines „auf wirtschaftliche Imperative zugeschnittenen Verwaltungsvorgangs“ ohne „eigene demokratische Dynamik“.

Die Grundgesetzänderung zur Einschränkung des Asylrechts gegen Ende 1992 begriff er als Ausdruck einer „Mentalität des Wohlfahrtschauvinismus“. Er protestierte dagegen in den Printmedien und in persona als einer der 350.000 Demonstranten am 8. November 1992 in Berlin.

 

Habermas 2011 an der Humboldt-Universität zu Berlin

Auch nach seiner Emeritierung 1994 meldete sich Habermas immer wieder publizistisch zu Wort. Im März 1999 bezog er in der Wochenzeitung Die Zeit abwägend für den Kosovokrieg Stellung. Die im selben Jahr durch Peter Sloterdijks Rede Regeln für den Menschenpark ausgelöste Kontroverse um das Thema der Eugenik veranlasste Habermas 2001 zu der Veröffentlichung Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?

In seiner Rede anlässlich der Verleihung des Kyoto-Preises, Freiheit und Determinismus (2004), setzte er sich außerdem mit der durch die aktuelle Hirnforschung aufgeworfenen Frage über die Freiheit des Menschen auseinander.

Seit 1997 ist Jürgen Habermas Mitherausgeber der politisch-wissenschaftlichen Monatszeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik. Am 15. September 2007 eröffnete er in Rom einen dreitägigen Kongress mit dem Titel Religion und Politik in der postsäkularen Gesellschaft. Seither hat er in Vorträgen und Diskussionen mit Theologen und Kirchenvertretern mehrfach den Stellenwert der Religion für das gesellschaftliche Wertesystem hervorgehoben, um gegenüber dem globalen Kapitalismus die „knappe Ressource Solidarität“ aufrechtzuerhalten.

Er gehört zu den Unterstützern der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die Ende November 2016 veröffentlicht wurde.

Der junge Habermas war stark vom Denken Martin Heideggers beeinflusst. So hatte er in seiner Dissertation Das Absolute und die Geschichte (1954) die Entwicklung des Begriffs des Absolutenim Werk Schellings vor dem Hintergrund von Heideggers Sein und Zeit interpretiert. Im Mittelpunkt von Habermas’ Interesse steht dabei Schellings Werk Die Weltalter, das er als eine „wesentlich anthropologisch orientierte“ Geschichte des Seins versteht. Es nehme dabei bereits Themen der Existenzphilosophie Heideggers wie „die Not der geschichtlichen Existenz: Schmerz, Zerrissenheit, Zweifel, Anstrengung, Überwindung und Streit“ vorweg.

Einen starken Einfluss übte darüber hinaus die frühe Lektüre von Georg LukácsGeschichte und Klassenbewußtsein aus. Insbesondere die von Lukács darin entwickelte Theorie der Verdinglichung führte Habermas dazu, sich stärker mit dem Marxismus zu beschäftigen, ohne sich zunächst vom Denken Heideggers zu entfernen.

In seinem 1954 veröffentlichten Aufsatz Die Dialektik der Rationalisierung, der bereits viele Kerngedanken seines Hauptwerks Theorie des kommunikativen Handelns (1981) enthielt, entwickelte Habermas im Anschluss an Lukács eine Theorie der kapitalistischen Rationalisierung. Er unterscheidet eine technische (der Produktion), ökonomische (der betrieblichen Organisation) und soziale Rationalisierung der Arbeit. Die Rationalisierung habe zwar die physische Belastung der Arbeiter reduziert, ihre mentale aber erhöht. Er äußert in diesem Text seine Vorbehalte gegenüber der modernen Technik und wirft Marx vor, deren negative Rolle übersehen zu haben.

Diese Kritik an Marx wiederholte Habermas in seinem Aufsatz Marx in Perspektiven (1955). Marx habe nicht begriffen, dass „die Technik selbst, und nicht erst eine bestimmte Wirtschaftsverfassung, unter der sie arbeitet, die Menschen, die arbeitenden wie die konsumierenden, mit ‚Entfremdung‘ überzieht“.

Mit dem Literaturbericht zur philosophischen Diskussion um Marx und den Marxismus (1957) begann Habermas’ Annäherung an Marx und seine Abkehr vom Denken Heideggers. Habermas schließt sich darin dem Gedanken Marx’ an, dass das Phänomen der Entfremdung keine existenzielle Dimension des Menschen darstellt, sondern als Ergebnis bestimmter sozialer Verhältnisse anzusehen ist. Sie ist „nicht Chiffre eines metaphysischen Unfalls, sondern Titel einer faktisch vorgefundenen Situation“. In seiner Abhandlung Soziologische Notizen zum Verhältnis von Arbeit und Freiheit (1958) korrigierte Habermas seine heideggerianische Sicht der Technik. Nicht mehr sie selbst, sondern ihr falscher politischer Gebrauch stellt demnach die Ursache der menschlichen Entfremdung dar.

1958 widersprach Habermas in Philosophische Anthropologie (Artikel für Fischer-Lexikon Philosophie) der Auffassung von der unveränderlichen Natur des Menschen. Mit Erich Rothacker, seinem Doktorvater, vertrat er die These von der geschichtlichen Dimension der menschlichen Natur: „Die Menschen leben und handeln nur in den konkreten Lebenswelten je ihrer Gesellschaft, niemals in ‚der‘ Welt“[31] Der „ontologische“ Charakter der traditionellen Anthropologie birgt für Habermas die Gefahr „einer Dogmatik mit politischen Konsequenzen, die um so gefährlicher ist, wo sie mit dem Anspruch wertfreier Wissenschaft auftritt“.

Im Vorwort der 1961 zusammen mit Ludwig von Friedeburg, Christoph Oehler und Friedrich Weltz erstellten Studie Student und Politik über das politische Verhalten deutscher Studenten, legte Habermas erstmals seine Auffassung von Demokratie und bürgerlichem Rechtsstaat vor, die in ihren Grundzügen bis zur Publikation von Faktizität und Geltung (1992) unverändert blieb. Das Wesen der Demokratie ist für Habermas vorrangig durch den Begriff der politischen Partizipation gekennzeichnet. Diese realisiere sich, indem „mündige Bürger unter Bedingungen einer politisch fungierenden Öffentlichkeit, durch einsichtige Delegation ihres Willens und durch wirksame Kontrolle seiner Ausführung die Einrichtung ihres gesellschaftlichen Lebens selbst in die Hand nehmen“ und so „personale Autorität in rationale“ überführen. Damit sei Demokratie die politische Gesellschaftsform, die „die Freiheit der Menschen steigern und am Ende vielleicht ganz herstellen“ könnte. Sie werde erst dann wirklich „wahr“, wenn die „Selbstbestimmung der Menschheit“ wirklich geworden ist.

Diese Idee der Herrschaft des Volkes sei aber im modernen Verfassungsstaat in Vergessenheit geraten. Habermas kritisiert eine „Verlagerung des Schwergewichts vom Parlament weg auf Verwaltung und Parteien“ (KuK, S. 20f), womit die Öffentlichkeit auf der Strecke bleibe. Der Bürger unterstehe zwar „in fast allen Bereichen täglich“ der Verwaltung, was er jedoch nicht als erweiterte Partizipation, sondern als eine Art Fremdbestimmung erlebe, der gegenüber er eine am Eigeninteresse orientierte Haltung einnehme. Die Parteien hätten sich gegenüber dem Parlament und dem Wähler verselbständigt. Das Parlament sei zu einer Stätte geworden, „an der sich weisungsgebundene Parteibeauftragte treffen, um bereits getroffene Entscheidungen registrieren zu lassen“ (KuK, S. 28). Mit dem Verschwinden der Klassenparteien und der Entstehung der modernen „Integrationsparteien“ ist laut Habermas auch der Unterschied der Parteien untereinander verloren gegangen, während die politischen Gegensätze „formalisiert“ und so gut wie inhaltslos werden. Für den Bürger sei „juristisch der Status eines Kunden vorgesehen […], der zwar am Ende die Zeche bezahlen muss, für den im übrigen aber alles derart vorbereitet ist, dass er selber nicht nur nichts zu tun braucht, sondern auch nicht mehr viel tun kann“ (KuK, S. 49f).

Die zentrale Bedeutung der „Öffentlichkeit“ für den bürgerlichen Verfassungsstaat stellte Habermas in seiner Habilitationsschrift (1962) dar. Er sucht anhand historischer Beispiele zu zeigen, wie „die politische Öffentlichkeit aus der literarischen“ hervorgegangen ist. In den um die Mitte des 17. Jahrhunderts gegründeten Kaffeehäusern, Salons und Tischgesellschaften bildeten sich Kristallisationspunkte der Öffentlichkeit. Ihre Gespräche kreisten zunächst um Kunst und Literatur, erweiterten sich aber bald um ökonomische und politische Inhalte. Unter den Mitgliedern herrschte Gleichberechtigung und die Macht des Arguments.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sieht Habermas (ähnlich wie Ferdinand Tönnies) den öffentlichen Diskurs zunehmend gefährdet. Ihm zufolge gerät die Publizität durch verschärften kapitalistischen Konkurrenzdruck in den Sog von partikularen Interessen. Mit Entstehung der Massenpresse und den ihr eigenen technischen und kommerziellen Gegebenheiten erfolgt eine „Refeudalisierung der Öffentlichkeit“: Die Kommunikation wird wieder eingeschränkt und dem Einfluss einzelner Großinvestoren unterworfen.

Um die kritische Funktion von Öffentlichkeit in der Gegenwart wiederherzustellen, müssen „die in der politischen Öffentlichkeit agierenden Mächte dem demokratischen Öffentlichkeitsgebot effektiv unterworfen werden“. Außerdem müsse es gelingen, die „strukturellen Interessenskonflikte nach Maßgabe eines erkennbaren Allgemeininteresses“ zu relativieren. Dies könnte erreicht werden, wenn es zum einen gelingt, eine „Gesellschaft im Überfluss beschleunigt herbeizuführen, die einen von knappen Mitteln diktierten Ausgleich der Interessen als solchen erübrigt“. Zum anderen habe „der noch unbewältigte Naturzustand zwischen den Völkern“ ein solches „Ausmaß allgemeiner Bedrohung“ angenommen, dass sich „ein allgemeines Interesse“ an der Herbeiführung eines „ewigen Friedens“ im Kant’schen Sinne ergibt.

Ab Anfang der 1960er Jahre galt Habermas’ primäres Interesse dem Verhältnis von Theorie und Praxis. Er löste sich allmählich von einer am jungen Marx ausgerichteten Geschichtsphilosophie und begann die Grundlagen seiner kritischen, auf Emanzipation bedachten Gesellschaftstheorie zu entwickeln, wobei es ihm um die Einheit von (philosophischer bzw. sozialwissenschaftlicher) Theorie und (politischer) Praxis ging.

Daneben beschäftigte ihn die Frage nach dem Status der empirischen Wissenschaften und ihrer postulierten Wertfreiheit.

Im sogenannten Positivismusstreit in der deutschen Soziologie warf Habermas Hans Albert und Karl Popper vor, einer eingeschränkten Auffassung von Rationalität – auch bezüglich der empirischen Wissenschaften – anzuhängen. Er kritisierte die Annahme, die empirischen Wissenschaften seien unabhängig von den Standards, „die diese Wissenschaften selber der Erfahrung anlegen“. Die naturwissenschaftlichen Theorien seien vielmehr Gegenstand einer Debatte, die innerhalb einer wissenschaftlichen Gemeinschaft stattfindet. Wissenschaftliche Prinzipien sind Habermas zufolge nicht einfach Ergebnis von Forschung, sondern werden durch die Gemeinschaft der Forscher in einem verständigungsorientierten Diskurs aufgestellt.

Habermas lehnt weiterhin den „instrumentellen“ Charakter der Sozialwissenschaften ab, die auf die Entwicklung von „Soziotechniken“ abzielten, mit denen wir „gesellschaftliche Prozesse wie Naturprozesse verfügbar machen können“. Eine solche Soziologie verkenne aber, dass es sich bei gesellschaftlichen Systemen nicht um „repetitive Systeme [handle], für die erfahrungswissenschaftlich triftige Aussagen möglich sinAls eine Auswirkung dieses Streits entstand 1968 die Schrift Erkenntnis und Interesse. Habermas greift hierin die Fragestellung der Transzendentalphilosophie nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis auf, um sie mit den Mitteln der modernen Sozialwissenschaften zu beantworten. Er stellt heraus, dass es keine „objektive“ Erkenntnis gibt. Vielmehr bestimmt das jeweilige theoretische oder praktische Erkenntnisinteresse den Aspekt, unter dem die Wirklichkeit objektiviert, das heißt wissenschaftlicher Forschung und Organisation zugänglich gemacht wird. Erkenntniskritik ist daher nur noch als Gesellschaftstheorie möglich. Kurz nach Erscheinen von Erkenntnis und Interesse veröffentlichte Habermas Technik und Wissenschaft als „Ideologie“, eine Schrift, die den Übergang Habermas zur Kommunikationstheorie darstellt und in der – so drückt es der Soziologe Helmut Dubiel aus – „alle Elemente der entfalteten Theorie (des kommunikativen Handelns) schon keimhaft“ enthalten sind.

Mit dem Beginn der 1970er Jahre kam es zum „Linguistic Turn“ in der Philosophie von Jürgen Habermas. Zentrale Einflüsse gingen von der Sprachphilosophie Austins und Searles und der Grammatiktheorie Chomskys aus. Auch die Hermeneutik Gadamers und der Pragmatismus Peirces spielten dabei eine wichtige Rolle. Auf dieser Basis entwickelte Habermas seine Universalpragmatik und seine Konsensustheorie der Wahrheit.

Habermas’ Interesse an der Sprachphilosophie ist ein gesellschaftstheoretisches. Er geht der Frage nach, ob sich eine Gesellschaftstheorie sprachtheoretisch begründen lässt.

Der zentrale Gegenstand seiner Gesellschaftstheorie ist der Begriff „Handeln“. Handeln bestimmt er als ein „Verhalten, das durch Normen geleitet oder an Regeln orientiert ist“. Normen und Regeln haben einen Sinn, der gedeutet und verstanden werden muss. Die Angemessenheit einer solchen Deutung kann „nur mit Bezugnahme auf das Wissen des Subjekts“ selbst geprüft werden, wobei davon ausgegangen wird, dass es ein implizites Regelwissen bezüglich der Handlungs- und Sprachnormen besitzt. Aufgabe einer Gesellschaftstheorie ist es daher, die gesellschaftlichen Bedingungen dieses Regelwissens zu rekonstruieren.

Zur Erforschung des impliziten Regelwissens verwendet Habermas die von Austin und Searle entwickelte Theorie der Sprechakte, die er gesellschaftstheoretisch umdeutet.

Sprechakte sind danach die Grundeinheiten der menschlichen Rede. Sie können in propositional ausdifferenzierte und nicht ausdifferenzierte eingeteilt werden. Erstere weisen eine „eigentümliche Doppelstruktur“ auf: sie sind zusammengesetzt aus einem „propositionalen“ Bestandteil, dem Aussageinhalt, und einem „performativen“ Bestandteil, der „Intention“ (Absicht), mit der der Aussageinhalt geäußert wird. Der performative Bestandteil der menschlichen Rede besitzt dabei eine gewisse Priorität, da er den Verwendungssinn des propositionalen Gehalts erst festlegt.

Habermas unterscheidet drei universale Typen von Sprechakten, die jeweils auf einem verschiedenen „Kommunikationsmodus“ beruhen und denen unterschiedliche Geltungsansprüche zugeordnet sind:

  • Konstativa (beschreiben, berichten, erklären, voraussagen) beziehen sich auf die kognitive Ebene. Sie dienen der Darstellung eines Sachverhaltes im Orientierungssystem der äußeren Welt. Der Maßstab ihrer Geltung ist Wahrheit.
  • Expressiva, auch Repräsentativa (wünschen, hoffen, eingestehen) beziehen sich auf Intentionen und Einstellungen. Sie sind Ausdruck eines Erlebens in einer subjektiven Welt. Der Maßstab ihrer Geltung ist Wahrhaftigkeit.
  • Regulativa (entschuldigen, befehlen, warnen, versprechen) beziehen sich auf soziale Normen und Institutionen. Sie dienen der Herstellung eines Zustandes in der gemeinsamen Lebenswelt. Der Maßstab ihrer Geltung ist die Richtigkeit.

Mit der Durchführung von Sprechakten werden „Geltungsansprüche“ verbunden. Ihre Erfüllung muss im kommunikativen Handeln von den Sprechern unterstellt werden. Solange die Verständigung gelingt, bleiben die wechselseitigen Ansprüche unthematisiert, scheitert sie, müssen die Unterstellungen daraufhin überprüft werden, welche von ihnen unerfüllt blieben. Je nach Geltungsanspruch existieren unterschiedliche Reparaturstrategien. Habermas unterscheidet vier Arten von Geltungsansprüchen, die nicht aufeinander zurückgeführt werden können:

  • Verständlichkeit: Der Sprecher unterstellt das Verständnis der gebrauchten Ausdrücke. Bei Unverständnis wird zur Explikation durch den Sprecher aufgefordert.
  • Wahrheit: Bezüglich des propositionalen Gehalts der Sprechakte wird Wahrheit unterstellt. Wird diese bezweifelt, muss ein Diskurs klären, ob der Anspruch des Sprechers zu Recht besteht.
  • Richtigkeit: Die Richtigkeit der Norm, die mit dem Sprechakt erfüllt wird, muss anerkannt werden. Auch dieser Geltungsanspruch ist nur diskursiv einlösbar.
  • Wahrhaftigkeit: Die Sprecher unterstellen sich gegenseitig Wahrhaftigkeit (Aufrichtigkeit). Erweist sich diese Antizipation (Voraussetzung) als unhaltbar, kann der Hintergrundkonsens nicht mit dem unwahrhaften Sprecher selber wiederhergestellt werden.

Die diskursive Einlösung von Geltungsansprüchen erfolgt im Konsens, der aber kein zufälliger, sondern ein begründeter sein muss, so dass „jeder andere, der in ein Gespräch mit mir eintreten könnte, demselben Gegenstand das gleiche Prädikat zusprechen würde“. Um einen solchen begründeten Konsens erzielen zu können, muss eine ideale Sprechsituation vorliegen, die durch vier Bedingungen der Chancengleichheit charakterisiert ist: Chancengleichheit aller bezüglich …

  • der Verwendung kommunikativer Sprechakte, sodass sie jederzeit Diskurse eröffnen und mit Rede und Gegenrede bzw. Frage und Antwort einsetzen können;
  • der Thematisierung und Kritik sämtlicher Vormeinungen, d. h., dass sie alle sprachlichen Mittel einsetzen können, um Geltungsansprüche zu erheben bzw. einzulösen;
  • der Verwendung repräsentativer Sprechakte, die ihre Einstellung, Gefühle und Intentionen ausdrücken, sodass die Wahrhaftigkeit der Sprecher garantiert wird (Wahrhaftigkeitspostulat);
  • der Verwendung regulativer Sprechakte, d. h. zu befehlen, sich zu widersetzen, zu erlauben, zu verbieten usw.

Eine solche ideale Sprechsituation hat nach Habermas weder den Status eines empirischen Phänomens, da jede Rede raumzeitlichen wie psychischen Einschränkungen unterworfen ist, noch ist sie ein ideales Konstrukt. Sie ist vielmehr „eine in Diskursen reziprok vorgenommene Unterstellung“, die kontrafaktisch sein kann. Soll der vernünftige Charakter der Rede nicht preisgegeben werden, so muss die ideale Sprechsituation „antizipiert“ werden, und insofern ist sie auch „operativ“ wirksam.

In seinem wichtigen Aufsatz Wahrheitstheorien legte Habermas 1973 eine auf diese Überlegungen aufgebaute Konsensustheorie der Wahrheit vor.

Das, „wovon wir sagen dürfen, es sei wahr oder falsch“, sind für Habermas Aussagen mit „assertorischer Kraft“, d. h. die auch behauptet werden und deren propositionaler Gehalt eine existierende Tatsache betrifft. Wahrheit ist somit „ein Geltungsanspruch, den wir mit Aussagen verbinden, indem wir sie behaupten“. Behauptungen gehören damit zur Klasse „konstativer Sprechakte“. Habermas stimmt der Redundanztheorie der Wahrheit insoweit zu, als die Aussage „p ist wahr“ der Behauptung „p“ nichts hinzufügt; allerdings liege der „pragmatische Sinn“ des Behauptens gerade in der Erhebung eines Wahrheitsanspruchs bezüglich „p“.

Über das Bestehen von Sachverhalten und damit über die Berechtigung eines Wahrheitsanspruchs entscheidet laut Habermas nicht die Evidenz von Erfahrungen, sondern der Gang von Argumentationen innerhalb eines Diskurses: „Die Idee der Wahrheit lässt sich nur mit Bezugnahme auf die diskursive Einlösung von Geltungsansprüchen entfalten“. Das Prädikat „wahr“ darf nach Habermas dann und nur dann zugesprochen werden, wenn jeder andere, der in den Diskurs eintreten könnte, demselben Gegenstand dasselbe Prädikat zusprechen würde. Der vernünftige Konsens aller ist dabei die Bedingung für die Wahrheit von Aussagen.

Das 1981 erschienene zweibändige Werk Theorie des kommunikativen Handelns (TdkH) wird vielfach als Habermas Hauptwerk bezeichnet. Als zeitgeschichtliches Motiv nennt er den seit Ende der 1960er Jahre für die westlichen Gesellschaften eingetretenen Zustand, „in dem das Erbe des okzidentalen Rationalismus nicht mehr unbestritten gilt“. Mit dem „Grundbegriff des kommunikativen Handelns“ erschließt Habermas drei Themenkomplexe (TdkH, Bd. I, S. 8)

  • die Entwicklung eines „Begriffs der kommunikativen Rationalität“,
  • ein „zweistufiges Konzept der Gesellschaft, das die Paradigmen Lebenswelt und System“ verknüpft,
  • eine „Theorie der Moderne“.

Die Arbeit ist geprägt von langen Passagen der Auseinandersetzung mit sozial- und sprachphilosophischen sowie soziologischen Autoren. In einer „rekonstruktiven Anverwandlung“ der Theorien von Weber, Lukács, Adorno, Austin, Marx, Mead, Durkheim, Parsons und Luhmann entwickelt Habermas seine eigene Handlungs- und Gesellschaftstheorie.

In der Tradition der Frankfurter Schule stehend, zielt Habermas auf eine Theorie, die Gesellschaft beschreibbar und kritisierbar macht. Aber im Gegensatz zu Horkheimer und Adorno, die Rationalisierung per se als einen menschheitsgeschichtlich verhängnisvollen Prozess analysierten (siehe „Dialektik der Aufklärung“), begrenzt Habermas sein negatives Urteil auf die Einschränkung der Vernunft im Sinne „instrumenteller Rationalität“, deren Wesen in der „Verfügung“ über Subjekte und Natur liege. Dagegen setzt er den Begriff einer „kommunikativen Rationalität“, die die „Verständigung“ mit dem Anderen ermögliche (TdkH, Bd. I, S. 30).

Die Formen der Rationalität korrespondieren Habermas zufolge mit entsprechenden Handlungstypen. Er unterscheidet – in betonter Abgrenzung zu PoppersDrei-Welten-Theorie“ – vier Formen des Handelns (TdkH, Bd. I, S. 126ff).

Im ersten Kapitel erörtert Habermas zunächst in einer theoriegeschichtlichen Diskussion vier soziologische Handlungsbegriffe unterschiedlicher Herkunft: den teleologischen (Aristoteles), den normenregulierten (Talcott Parsons), den dramaturgischen (Erving Goffman) und den kommunikativen Handlungsbegriff (George Herbert Mead). Diese werden in manchen Sekundärquellen irrtümlicherweise auch mit seiner eigenen, erst im dritten Kapitel („Erste Zwischenbetrachtung“) – auf der Grundlage der Sprechakttheorie – systematisch eingeführten Handlungstypologie verwechselt.

Ausgangspunkt seiner Handlungstheorie ist die „Handlungskoordinierung“, die sowohl durch Erfolgs- als auch durch Verständigungsorientierung verwirklicht werden kann. Er differenziert dabei zwischen „instrumentellem“ und „strategischem“ Handeln als Formen erfolgsorientierten Handelns einerseits und „kommunikativem“ Handeln als verständigungsorientiertes Handeln andererseits. Instrumentelles Handeln spielt als „nicht-soziales“ in seinen weiteren Überlegungen keine Rolle.

Soziale Handlungen kennzeichnet Habermas als sprachlich vermittelte. Handlungskoordination beim strategischen Handeln leistet die Erfolgsorientierung; Sprechakte dienen hierbei als bloßes Mittel zur Zweck- bzw. Zielerreichung durch Einwirkung auf andere. Im Gegensatz dazu wird kommunikatives Handeln durch Erzeugung eines Einverständnisses koordiniert, und zwar auf der Grundlage kritisierbarer Geltungsansprüche (siehe oben). Nur wenn diese akzeptiert werden, können handelnde Personen ihre Ziele erreichen.

„Im Anschluß an die Sprechakttheorie“ (TdkH, Bd. I, S. 384) klärt er die rationalen Grundlagen des kommunikativen Handelns. Mit der Verknüpfung der unterschiedlichen Sprechakte (Imperative, Konstative, Regulative, Expressive), Geltungsansprüche (Wahrheit, Richtigkeit, Wahrhaftigkeit) und Weltbezüge (objektive, soziale, subjektive Welt) kann er das kommunikative Handeln in „drei reine Typen oder Grenzfälle“ auffächern: Konversation, normenreguliertes und dramaturgisches Handeln. Grenzfälle sind es deshalb, weil das kommunikative Handeln in der Regel alle drei in sich vereinigt.

Das strategische Handeln bezieht sich auf die „objektive Welt“ der „Sachverhalte“. Wir entscheiden uns für eine bestimmte Handlungsalternative, die uns als das erfolgversprechendste Mittel erscheint, bestimmte Zwecke zu erreichen. Der Erfolg ist dabei zwar häufig von „anderen Aktoren“ abhängig; diese sind aber „an ihrem jeweils eigenen Erfolg orientiert“ und verhalten sich „nur in dem Maße kooperativ […] wie es ihrem egozentrischen Nutzenkalkül entspricht“ (TdkH, Bd. I, S. 131). Handlungskoordination ist hier gleichbedeutend mit dem „Ineinandergreifen egozentrischer Nutzenkalküle“ (TdkH, Bd. I, S. 151).

Das kommunikative Handeln ist als zusammenfassender Begriff der drei Grenzfälle zu verstehen und bezieht sich auf alle drei Welten. Neben dem universalen Sinnanspruch der Verständlichkeit aktualisieren sich in ihm drei Kategorien von Geltungsansprüchen: die (propositionelle) Wahrheit, die (normative) Richtigkeit und die (subjektive) Wahrhaftigkeit. Im konkreten Sprechakt steht zwar jeweils ein Geltungsanspruch im Vordergrund und wird primär auf eine Welt Bezug genommen, aber prinzipiell werden stets alle drei Geltungsansprüche und Weltbezüge zugleich thematisiert (Einschlägig ist hier Fig. 16 in TdkH, Bd. I, S. 439).

Ein teleologischer Handlungstypus hat in der ausgeführten Habermasschen Systematik keinen Platz mehr. Ihm zufolge sind alle menschlichen Handlungen auf Ziele gerichtet, was ihren teleologischen Charakter ausmacht. „Der Begriff des teleologischen Handeln oder der Zwecktätigkeit steht seit Aristoteles im Mittelpunkt der philosophischen Handlungstheorie […]. Diese teleologische Struktur ist für alle Handlungsbegriffe konstitutiv.“. Ähnliche Formulierung in TdkH, Bd. I, S. 150f.

Kommunikativ handelnde Subjekte verständigen sich für Habermas „stets im Horizont einer Lebenswelt“ (TdKH, Bd. I, S. 107). „Die Lebenswelt ist gleichsam der transzendentale Ort, an dem sich Sprecher und Hörer begegnen“ (TdkH, Bd. II, S. 192). Lebenswelt ist der Komplementärbegriff zu dem des kommunikativen Handelns.

Der von Edmund Husserl erstmals entwickelte und von Alfred Schütz in die Soziologie eingeführte Begriff der Lebenswelt kennzeichnet die Teilnehmerperspektive der handelnden Subjekte. Er weist nach Habermas folgende Charakteristika auf (TdkH, Bd. II, S. 198–202):

  • Die Lebenswelt „ist dem erlebenden Subjekt fraglos gegeben“ und kann „gar nicht problematisch werden“, sondern „allenfalls zusammenbrechen“.
  • Die Lebenswelt verdankt ihre Gewissheit „einem in die Intersubjektivität sprachlicher Verständigung eingebauten sozialen Apriori“.
  • Die Lebenswelt lässt sich „nicht transzendieren“, sondern bildet „einen nicht hintergehbaren und prinzipiell unerschöpflichen Kontext“.

Habermas fixiert in seiner zweistufigen Gesellschaftstheorie mit den Komponenten „Lebenswelt“ und „System“ die Dualität von symbolischer und materieller Reproduktion der Gesellschaft. Ihr entspricht die Differenzierung zwischen Teilnehmer- und Beobachterperspektive, da „die Selbsterhaltungsimperative der Gesellschaft (sich) nicht nur in der Teleologie der Handlungen ihrer individuellen Mitglieder, sondern zugleich in den funktionalen Zusammenhängen aggregierter Handlungseffekte durch(setzen)“ (TdkH, Bd. I, S. 533).

Erst in einem Prozess soziokultureller Evolution haben sich symbolische und materielle gesellschaftliche Reproduktion zu selbständigen, autonomen Handlungssphären entkoppelt, indem die Lebenswelt, der logisch und genetisch die primäre Bedeutung zukommt, funktionale Systeme – vornehmlich Wirtschaft (marktregulierte Ökonomie) und Politik (bürokratischer Verwaltungsstaat) – „freisetzte“. Die ausschließliche Betrachtung der Gesellschaft als System, wie sie von Niklas Luhmann und Talcott Parsons vorgenommen wird, verstellt nach Habermas den theoretischen Zugang, „einen vernünftigen Maßstab für eine als Rationalisierung begriffene gesellschaftliche Modernisierung handlungstheoretisch zu begründen“ (TdkH, Bd. II, S. 422f).

Habermas ist der Ansicht, dass der gesellschaftliche Differenzierungsprozess in seinem Verlauf zu einer „Kolonialisierung“ der „Lebenswelt“ durch das „System“ geführt hat. Mit anderen Worten: Durch Ausbildung „generalisierter Steuerungsmedien“ – Geld und Macht – wird die materielle Reproduktion der Gesellschaft nicht nur unabhängig von ihrer kulturellen Reproduktion, sondern dringt auch zunehmend in diese ein. Dieser Prozess ist für Habermas ein zentrales Merkmal moderner Gesellschaften. Er unterscheidet drei Entwicklungsstufen:

  1. Traditionale Gesellschaften, in denen die „Lebenswelt“ noch nicht vom „System“ getrennt ist. Gemeint sind damit Gesellschaftsformen, deren materielle Reproduktion noch von ihrer kulturellen Wertsphäre dominiert wird; in denen kulturelle Normen noch entscheidend die Bedingungen materieller Reproduktion beeinflussen.
  2. In der zweiten Stufe, historisch gesehen die Zeit von der Reformation bis zur Industrialisierung, entkoppelt sich das „System“ von der „Lebenswelt“, mit der Folge, dass „Macht“ und „Geld“ als die Steuerungsmedien des „Systems“ den Menschen eine von gemeinsamen kulturellen Werten und Normen abgelöste Handlungslogik aufzwingen. Es sind diese Übergriffe des „Systems“ auf die „Lebenswelt“, die Habermas als „Kolonialisierung der Lebenswelt“ charakterisiert.
  3. In der dritten Stufe treten nach Habermas die Konflikte zwischen „System“ und „Lebenswelt“ offen hervor: „Heute dringen die über die Medien Geld und Macht vermittelten Imperative von Wirtschaft und Verwaltung in Bereiche ein, die irgendwie kaputt gehen, wenn man sie vom verständigungsorientierten Handeln abkoppelt und auf solche mediengesteuerten Interaktionen umstellt.“

In den 1980er Jahren setzt sich Habermas verstärkt mit philosophischen Strömungen auseinander, die der Moderne kritisch gegenüberstehen. Insbesondere stehen dabei neokonservative Strömungen und die aufkommende Philosophie der Postmoderne im Fokus. Den Ursprung bildet dabei seine Rede Die Moderne – ein unvollendetes Projekt anlässlich der Verleihung des Adornopreises im Jahre 1980. Deren Grundgedanken fließen später in die Vorlesungsreihe Der philosophische Diskurs der Moderne ein, die Habermas zwischen März 1983 und September 1984 am Collège de France in Paris, an der Universität Frankfurt und an der Cornell University in Ithaca hält.

Habermas Grundanliegen ist eine Abwehr gegenaufklärerischer Strömungen der Philosophie. Er will an dem „unvollendeten Projekt der Moderne“ festhalten und ihre Defizite „durch radikalisierte Aufklärung wettmachen“ (Der philosophische Diskurs der Moderne, DphDdM, S. 104).

„Modern“ sind für Habermas Gesellschaften, in denen die tradierten Weltbilder – die ihre Grundlage insbesondere in den Religionen haben – ihre Fähigkeit verloren haben, verbindliche Lebensdeutungen und normative Handlungsorientierung glaubwürdig zu vermitteln, und die infolgedessen gezwungen sind, „ihre Normativität aus sich selber [zu] schöpfen“ (DphDdM, S. 16). Zu ihrer „Selbstvergewisserung“ und „Selbstbegründung“ (DphDdM, S. 17) ist es notwendig, ein Prinzip zu finden, das ein „Äquivalent für die vereinigende Macht der Religion“ (DphDdM, S. 105) darstellt. Dieses Prinzip muss als das der gesellschaftlichen Modernisierung der Neuzeit selbst „innewohnende Prinzip“ (DphDdM, S. 46) ausgewiesen werden und die stabilisierenden Funktionen der alten Religionen übernehmen können.

Habermas zufolge hatte Hegel als erster das Problem der Selbstvergewisserung der Moderne als philosophisches Problem entdeckt und die für die weitere Diskussion maßgebliche Lösung formuliert: Die Subjektivität, verstanden als „Struktur der Selbstbeziehung“, ist sowohl Grundstruktur der Vernunft als auch „Prinzip der neuen Zeit“ (DphDdM, S. 27).

Im Laufe der „Modernisierung“ wurde aber – wie bereits von Adorno und Horkheimer in der „Dialektik der Aufklärung“ analysiert – deutlich, dass in der subjektzentrierten Vernunft eine Tendenz zur Verabsolutierung der Zweckrationalität und der „jeweiligen Stufe der Reflexion und der Emanzipation“ (DphDdM, S. 70) angelegt ist. Die sich nach Selbstvergewisserung sehnende Moderne muss dahin gebracht werden, dass sie die Dialektik der Aufklärung erkennt. Sie muss die „Rückschritte im Fortschritt“ (DphDdM, S. 80) zu kritisieren lernen, um die Selbstkritik der „mit sich selbst zerfallenen Moderne“ zu ermöglichen. (DphDdM, S. 33ff)

Die im „Prinzip der Subjektivität gründende Vernunft“ (DphDdM, S. 70) verstrickt sich laut Habermas beim Versuch einer „totalisierenden, auf sich selbst bezogene Kritik“ in ausweglose Paradoxien. (DphDdM, S. 152ff) Es ist ihr anscheinend unmöglich, mit den ihr verfügbaren begrifflichen Mitteln die Aufgabe einer Selbstvergewisserung der Moderne erfolgreich zu lösen.

Diese aporetische Situation der subjektiven Vernunft wird von den Kritikern der Moderne aufgegriffen. Die Vernunft habe ihnen zufolge alle „Formen der Unterdrückung und der Ausbeutung, der Entwürdigung und der Entfremdung nur denunziert und unterminiert, um an deren Stelle die unangreifbare Rationalität selbst einzusetzen“ (DphDdM, S. 70).

Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei Nietzsche ein, den Habermas als „Drehscheibe“ für den Eintritt in die Postmoderne bezeichnet. Seine angestrebte radikale Vernunftkritik sollte das ganze auf Hegel zurückgehende Programm einer Selbstbegründung moderner Lebensformen aus Vernunft vollständig unterminieren. Problematisch ist dabei allerdings für Habermas, dass Nietzsche zwischen zwei Strategien „schwankt“: Einerseits versucht er, ganz auf die Philosophie zu verzichten und die Zurückführung jeweiliger Wahrheitsansprüche auf bloße Machtkonstellationen als Aufgabe einer „mit anthropologischen, psychologischen, und historischen Methoden“ arbeitenden positiven Wissenschaft aufzufassen. Andererseits hält er an der Möglichkeit einer philosophischen Vernunftkritik fest, die „die Wurzeln des metaphysischen Denkens ausgräbt, ohne sich selbst als Philosophie aufzugeben“ (DphDdM, S. 120).

In der Tradition Nietzsches sieht Habermas Heidegger, Derrida und Foucault. Die Heideggersche Seinsphilosophie – und ihre „grammatologische“ Überbietung bei Derrida – bleibe ein „umgekehrter Fundamentalismus“, der sich nicht von der Problemvorgabe der traditionellen Metaphysik lösen kann und folglich keine Überwindung der Metaphysik darstellt. (DphDdM, S. 197) Die Ersetzung der autonomen Subjektivität durch anonyme seinsgeschichtliche Prozesse habe unvermeidbar die Folge, dass die Subjektivität durch ein „subjektloses Geschehen“ (DphDdM, S. 210) ersetzt wird.

Foucault knüpfe an Nietzsches Entwurf einer „als Anti-Wissenschaft auftretenden, gelehrsam-positivistischen Geschichtsschreibung“ (DphDdM, S. 292) an; aber auch ihm gelinge es nicht, durch seine historisch angelegte Machttheorie „eine radikale Vernunftkritik durchzuführen, ohne sich in den Aporien dieses selbstbezüglichen Unternehmens zu verfangen“ (DphDdM, S. 290). Die Macht, die als „irritierender Grundbegriff“ (DphDdM, S. 298) seiner Theorie fungiert, hat einen zweideutigen Status: Sie soll „gleichzeitig transzendentale Erzeugungs- und empirische Selbstbehauptungsmacht sein“ (DphDdM, S. 300).

Habermas zieht den Schluss, dass die Durchführung des Hegelschen Programms einer Selbstbegründung der Moderne aus Vernunft immer noch möglich und wünschenswert ist. Allerdings muss der zugrundegelegte Vernunftbegriff einer Revision unterzogen werden. Nicht die subjektzentrierte Vernunft, sondern einzig die „kommunikative Vernunft“ ist geeignet, die zugedachte Begründungsfunktion erfolgreich zu übernehmen (DphDdM, Kapitel XI).

Ausgehend von seinen Überlegungen zur Universalpragmatik entwirft Habermas ab Beginn der 1980er Jahre im Dialog mit Karl-Otto Apel seine eigene Variante einer Diskursethik. Habermas stellt sie explizit in die Tradition der Kantischen Ethik, die er jedoch gleichzeitig mit kommunikationstheoretischen Mitteln neu formulieren und ihre metaphysischen Elemente „detranszendentalisieren“ will. Er charakterisiert seine Diskursethik als eine „deontologische, kognitivistische, formalistische und universalistische Ethik“.

Moralische Normen haben im Verständnis von Habermas einen wahrheitsanalogen Charakter. Die „Sollgeltung“ moralischer Normen lässt sich einerseits zwar mit rationalen Argumenten begründen; aufgrund des gegenüber dem Wahrheitsbegriff fehlenden Realitätsbezuges ist ihre Geltung aber nur wahrheitsanalog. Die Richtigkeit moralischer Urteile stellt sich dabei für Habermas zwar einerseits „auf demselben Wege heraus wie die Wahrheit deskriptiver Aussagen – durch Argumentation“. Auf der anderen Seite „fehlt moralischen Geltungsansprüchen der für Wahrheitsansprüche charakteristische Weltbezug“.

Habermas unterscheidet moralische Richtigkeit von theoretischer Wahrheit. Eine Norm erhebt Anspruch auf Gültigkeit „auch unabhängig davon, ob sie verkündet und in dieser oder jener Weise in Anspruch genommen wird“. Im Gegensatz dazu besteht ein Wahrheitsanspruch niemals unabhängig von der Behauptung, in der er formuliert wird.

Habermas unterscheidet mit Kant zwischen den Fragen des „guten Lebens“ und Fragen des moralischen Handelns. Seine Diskursethik stellt ausschließlich die Sollgeltung moralischer Gebote und Handlungsnormen als das erklärungsbedürftige Phänomen in den Mittelpunkt und schließt damit Fragen nach dem, was es bedeutet, ein gelungenes Leben zu führen, aus dem allein Gerechtigkeitsfragen thematisierenden Bereich der Moral aus. Trotz dieser Trennung ist Habermas allerdings nicht bereit, die ethischen Folgen einer Handlung bei der Beurteilung ihres moralischen Gehaltes gänzlich außer Acht zu lassen. Der Kategorische Imperativ dient nach Habermas’ Interpretation der Überprüfung existierender moralischer Normen auf Gültigkeit; er ist als ein „Rechtfertigungsprinzip“ zu verstehen, da nur verallgemeinerungsfähige Maximen berechtigterweise als gültige moralische Normen anerkannt werden können.

Habermas führt dabei eine eigenwillige Unterscheidung zwischen den Adjektiven „ethisch“ und „moralisch“ ein. Die ethischen Fragen bleiben „in den thematisierten lebensgeschichtlichen Kontext eingebettet“ und erheben keinen Anspruch auf universelle Gültigkeit. Es sind vielmehr Fragen nach dem eigenen Lebensentwurf vor dem Hintergrund der jeweiligen kulturellen Gemeinschaft. Dagegen erfordern „moralisch-praktische Diskurse […] den Bruch mit allen Selbstverständlichkeiten der eingewöhnten konkreten Sittlichkeit wie auch die Distanzierung von jenen Lebenskontexten, mit denen die eigene Identität unauflöslich verbunden ist“:

„Wir machen von der praktischen Vernunft einen moralischen Gebrauch, wenn wir fragen, was gleichermaßen gut ist für jeden; einen ethischen Gebrauch, wenn wir fragen, was jeweils gut ist für mich oder für uns.“

Habermas erklärt, dass man aufgrund dieser begrifflichen Differenzierung genau genommen nicht von „Diskursethik“, sondern von einer „Diskurstheorie der Moral“ sprechen müsste. Er hält aber aufgrund des eingebürgerten Sprachgebrauchs an dem Begriff „Diskursethik“ fest.

Das formalistische Moment bezieht sich auf eine Abgrenzung gegenüber materialen Wertethiken, die versuchen, bestimmte Werte als erstrebenswert auszuzeichnen, was zum Problem der Legitimation einer wertenden Rangfolge bestimmter Güter führt. Die Diskursethik umgeht dieses Problem, indem sie auch hier an Kants Bestimmung des Kategorischen Imperativs anknüpft. Im Zentrum der Diskursethik steht das formale Prinzip des Universalisierungsgrundsatzes „U“, gemäß dem eine strittige Norm unter den Teilnehmern eines praktischen Diskurses nur dann Zustimmung finden kann, „wenn die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus einer allgemeinen Befolgung der strittigen Norm für die Befriedigung der Interessen eines jeden Einzelnen voraussichtlich ergeben, von allen zwanglos akzeptiert werden können“.

Sinn und Zweck dieses Prinzips ist die Möglichkeit einer unparteilichen Urteilsfindung im Fall moralischer Konflikte ohne direkte Bezugnahme auf inhaltliche Fragen. Die Diskursethik versucht damit ein Prinzip an die Hand zu geben, das formal, das heißt unabhängig von inhaltlichen Vorgaben, die Möglichkeit eröffnet, darzustellen, welche Normen tatsächlich moralische Geltung beanspruchen können.

Habermas beschreibt schließlich die Diskursethik im Anschluss an Kant als eine universalistische Ethik, da die Geltung der von ihr über ein formales Prinzip ausgezeichneten Normen weder auf einen bestimmten Kulturkreis noch auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt ist:

„Universalistisch nennen wir schließlich eine Ethik, die behauptet, daß dieses (oder ein ähnliches) Moralprinzip nicht nur die Intuitionen einer bestimmten Kultur oder einer bestimmten Epoche ausdrückt, sondern allgemein gilt.“

Dabei steht der Versuch im Mittelpunkt, eine Begründungskonzeption der Sollgeltung moralischer Normen zu entwickeln, die aufzeigen kann, „daß unser Moralprinzip nicht nur die Vorurteile des erwachsenen, weißen, männlichen, bürgerlich erzogenen Mitteleuropäers von heute widerspiegelt“, sondern aufgrund ihrer überzeugenden Kraft auch auf Kulturen bezogen werden kann, deren moralische Vorstellungen nicht durch die Geschichte der Aufklärung beeinflusst wurden. Habermas bezeichnet dies als den „schwierigsten Teil der Ethik“.

Nach dem Mauerfall von 1989 widmet sich Habermas verstärkt rechts– und staatsphilosophischen Themen. Im Jahre 1992 erscheint sein Werk Faktizität und Geltung (FuG), das nach seiner Theorie des kommunikativen Handelns (TdkH) als sein wichtigstes Werk gilt. Es stellt „die erste ausgearbeitete Rechtsphilosophie aus dem Umkreis der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule“ dar. Habermas entwickelt hierin seine eigene Konzeption – wie schon in seinen früheren Schriften – über weite Strecken in Auseinandersetzung mit anderen Theorien.

Habermas Interesse gilt in erster Linie der Rolle des Rechts in den modernen Gesellschaften. Recht ist für ihn „das moderne gesatzte Recht, das mit dem Anspruch auf systematische Begründung sowie verbindliche Interpretation und Durchsetzung auftritt“ (Faktizität und Geltung (FuG), S. 106). Das Recht hat die Funktion der „sozialen Integration“. Diese wird in der modernen Gesellschaft notwendig, da dort „Geltung und Faktizität, also die bindende Kraft von rational motivierten Überzeugungen und der auferlegte Zwang äußerer Sanktionen […] inkompatibel auseinandergetreten sind“ (FuG, S. 43). Das Recht zeigt einen Ausweg zur Alternative zwischen Kommunikationsabbruch und strategischem Handeln auf. Es regelt die „strategischen Interaktionen, auf die sich die Aktoren selbst verständigen“ (FuG, S. 44).

Rechtliche Regelungen stellen „einerseits faktische Beschränkungen“ dar, denen der strategisch Handelnde sich fügen muss; „andererseits müssen sie zugleich eine sozialintegrative Kraft entfalten, indem sie den Adressaten Verpflichtungen auferlegen, was […] nur auf der Grundlage intersubjektiv anerkannter normativer Geltungsansprüche möglich ist“ (FuG, S. 44).

Habermas will das Recht in einer empirisch-normativen „Doppelperspektive“ betrachten, aus der „sich das Rechtssystem gleichzeitig von innen in seinem normativen Gehalt rekonstruktiv ernst nehmen, wie von außen als Bestandteil der sozialen Realität beschreiben läßt“ (FuG, S. 62): „Ohne den Blick auf Recht als empirisches Handlungssystem bleiben die philosophischen Begriffe leer. Soweit sich aber die Rechtssoziologie auf einen objektivierenden Blick von außen versteift und gegenüber dem nur intern zugänglichen Sinn der symbolischen Dimension unempfindlich ist, gerät umgekehrt die soziologische Anschauung in Gefahr, blind zu bleiben“ (FuG, S. 90).

Habermas untersucht das Verhältnis von Recht und Moral. Rechtliche und moralische Regeln differenzieren sich gleichzeitig aus traditionaler Sittlichkeit aus und „treten als zwei verschiedene, aber einander ergänzende Sorten von Handlungsnormen nebeneinander“ (FuG, S. 135). Das Recht unterscheidet sich von der Moral dadurch, dass es sich nicht primär auf den freien Willen, sondern auf die individuelle Willkür richtet, auf das äußere Verhältnis von Personen bezieht und mit Zwangsbefugnissen ausgestattet ist (FuG, S. 143).

Habermas geht auf die platonische „Verdoppelung“ des Rechts als positives und natürliches Recht ein. Dem liege die Intuition zugrunde, dass das positive Recht das natürliche abbilden solle. Diese Intuition sei nicht in jeder Hinsicht falsch, „denn eine Rechtsordnung kann nur legitim sein, wenn sie moralischen Grundsätzen nicht widerspricht. Dem positiven Recht bleibt, über die Legitimitätskomponente der Rechtsgeltung, ein Bezug zur Moral eingeschrieben“ (FuG, S. 137). Doch dürfe dieser Moralbezug nicht dazu verleiten, die Moral dem Recht in einer Normenhierarchie überzuordnen. Rechtsfragen und Moralfragen beziehen sich zwar auf dieselben Probleme, aber auf verschiedene Weise: „Trotz des gemeinsamen Bezugspunktes unterscheiden sich Recht und Moral prima facie dadurch, daß die posttraditionale Moral nur eine Form kulturellen Wissens darstellt, während das Recht zugleich auf institutioneller Ebene Verbindlichkeit gewinnt“ (FuG, S. 137). „Deshalb dürfen wir Grundrechte, die in der positiven Gestalt von Verfassungsnormen auftreten, nicht als bloße Abbildungen moralischer Rechte verstehen, und die politische Autonomie nicht als bloßes Abbild der moralischen“ (FuG, S. 138). Der Vernunftrechtstradition indes bleibt Habermas im Wesentlichen treu.

Gesetze können für Habermas nur dann „legitime Geltung in Anspruch nehmen“, wenn sie in einem „ihrerseits rechtlich verfassten diskursiven Rechtsetzungsprozeß die Zustimmung aller Rechtsgenossen finden können“ (FuG, S. 141).

Habermas formuliert im weiteren Verlauf vier Hauptprinzipien des Rechtsstaats:

  1. das „Prinzip der Volkssouveränität“ (FuG, S. 209),
  2. das „Prinzip der Gewährleistung eines umfassenden individuellen Rechtsschutzes“ (FuG, S. 212),
  3. das „Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung“ (FuG, S. 213),
  4. das „Prinzip der Trennung von Staat und Gesellschaft“, das eine politische Kultur fordere, „die von Klassenstrukturen entkoppelt ist“ (FuG, S. 215).

In dem Sammelband Die Zukunft der menschlichen Natur (ZmN) nimmt Habermas zu Fragen der Eugenik Stellung. Eine grundsätzliche Problematik beim Eingriff in das menschliche Erbgut stellt für ihn die Tatsache dar, dass die Person, die eine Entscheidung über die „‚natürliche Ausstattung‘ einer anderen Person trifft“, ihr gegenüber die Macht besitzt, unwiderruflich bestimmte Eigenschaften ohne den Konsens des Betroffenen zu bestimmen. Dieser Konsens kann im Fall einer „negativen Eugenik“, in der es um rein präventive Maßnahmen gegen zukünftige Krankheiten geht, vorausgesetzt werden (ZmN, S. 79).

Die „positive Eugenik“ jedoch, bei der das Kind mit bestimmten nützlichen und wünschenswerten Eigenschaften ausgestattet werden soll, bedroht nach Habermas die Autonomie des Subjekts. Wenn der Leib in der pränatalen Phase des Individuums von den Eltern manipuliert wird, bedeutet dies, dass über ihn verfügt wird. Das macht aber ein „Selbstseinkönnen“ des Individuums für Habermas unmöglich (ZmN, S. 100). Habermas unterscheidet in diesem Zusammenhang mit Bezug auf Hannah Arendt zwischen einem Natur- und einem Sozialisationsschicksal. Unser Selbstbewusstsein als menschliches Subjekt ist wesentlich daran geknüpft, dass wir auf ein „Naturschicksal“ aufsetzen können: denn „das Selbstbewusstsein der Person erfordert einen Bezugspunkt jenseits der Traditionsstränge und Interaktionszusammenhänge eines Bildungsprozesses, in dem sich die personale Identität lebensgeschichtlich formiert“ (ZmN, S. 103).

Seit dem Ende der 1990er Jahre beschäftigt sich Habermas wieder mit religiösen Themen, v. a. mit dem Einfluss der jüdisch-christlichen Tradition auf das westliche Denken. Er sagte 1999 in einem „Gespräch über Gott und die Welt“ mit dem in den Vereinigten Staaten lehrenden Philosophen Eduardo Mendieta: „Der egalitäre Universalismus, aus dem die Ideen von Freiheit und solidarischem Zusammenleben, von autonomer Lebensführung und Emanzipation, von individueller Gewissensmoral, Menschenrechten und Demokratie entsprungen sind, ist unmittelbar ein Erbe der jüdischen Gerechtigkeits- und der christlichen Liebesethik. In der Substanz unverändert, ist dieses Erbe immer wieder kritisch angeeignet und neu interpretiert worden. Dazu gibt es bis heute keine Alternative. Auch angesichts der aktuellen Herausforderungen einer postnationalen Konstellation zehren wir nach wie vor von dieser Substanz. Alles andere ist postmodernes Gerede.“ Der „weltweite Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung“ habe im 15. Jahrhundert eingesetzt. Habermas zufolge wurde er vorangetrieben durch die Reformation, Luther sowie eine Reihe von Denkern und religiösen Bewegungen, die in unterschiedlicher Weise und Intensität von Luther beeinflusst waren: Jakob Böhme, Quäker, Pietismus, Oetinger, Kant, Hegel, Schelling, Hölderlin, Kierkegaard, Max Weber.[75] Im Zusammenhang mit der Entwicklung der abendländischen Geistesgeschichte erwähnte Habermas zudem Thomas von Aquin, Meister Eckhart, Marx, Nietzsche, Baader, Heidegger, Adorno, Horkheimer, Benjamin, John Rawls, Johann Baptist Metz, die Befreiungstheologie und einige andere Denker des 19. und 20. Jahrhunderts. Die englischen, französischen und amerikanischen Philosophen hätten stärker als die deutschen das christliche Glaubensgut („Jerusalem“) und die griechische Philosophie („Athen“) mit dem politisch-republikanischen Denken des antiken „Roms“ verknüpft. Auch sein eigenes Philosophieren, so Habermas, „zehr[e] vom christlichen Erbe“.

Habermas räumt ein, dass sich im „nachmetaphysischen Denken“ moderner, säkularer Gesellschaften, „jeder generell verbindliche Begriff vom guten und exemplarischen Leben entzieht“. In den „heiligen Schriften und religiösen Überlieferungen“ fänden sich dagegen über Jahrtausende wach gehaltene „Intuitionen von Verfehlung und Erlösung“. Sie stellten „hinreichend differenzierte Ausdrucksmöglichkeiten und Sensibilitäten für verfehltes Leben, für gesellschaftliche Pathologien, für das Misslingen individueller Lebensentwürfe und die Deformation entstellter Lebenszusammenhänge“ zur Verfügung.

Es müsse die Aufgabe einer „nachmetaphysischen“ Philosophie sein, die kognitiven Gehalte der religiösen Überlieferung „im Schmelztiegel begründender Diskurse aus ihrer ursprünglich dogmatischen Verkapselung freizusetzen“, um so „eine inspirierende Kraft für die ganze Gesellschaft entfalten zu können“.

Diese Haltung zur Religion ist von Hans Albert mehrfach scharf kritisiert worden. Habermas habe sich, so Albert, „nach einer langen Entwicklung, die mit einer hermeneutischen Umdeutung des Marxismus und mit einer Betonung des Anspruchs auf Aufklärung begann, nun dazu bereitgefunden, der Aufklärung buchstäblich in den Rücken zu fallen.“ Albert kritisierte Habermas Haltung als eine „korrupte Hermeneutik, also eine Konzeption, die die Suche nach Wahrheit dem Streben nach Konsens opfert“.

Habermas bezieht sich allerdings unmittelbar auf die Religionsphilosophie Kants: „Kants religionsphilosophische Einschränkung der Vernunft auf ihren praktischen Gebrauch betrifft heute weniger die religiöse Schwärmerei als vielmehr eine schwärmerische Philosophie, die sich verheißungsvolle Konnotationen eines erlösungsreligiösen Wortschatzes nur ausleiht und zunutze macht, um sich von der Strenge diskursiven Denkens zu dispensieren. Auch das können wir von Kant lernen: wir können seine Religionsphilosophie im ganzen als Warnung vor religiöser Philosophie verstehen.“

Ein weiteres aktuelles Thema von Habermas stellt die moderne Gehirnforschung und das Problem der Willensfreiheit dar. Habermas wendet sich gegen die unter anderem von Wolf Singer und Gerhard Roth vertretene These, „mentale Vorgänge“ seien „allein aus beobachtbaren physiologischen Argumenten zu erklären“ (Freiheit und Determinismus. In: Habermas: Zwischen Naturalismus und Religion, FuDINuR, S. 155).

Habermas Anliegen ist es, einerseits „der intuitiv unbestreitbaren Evidenz eines in allen unseren Handlungen performativ mitlaufenden Freiheitsbewusstseins“ gerecht zu werden, andererseits aber auch „das Bedürfnis nach einem kohärenten Bild des Universums, das den Menschen als Naturwesen einschließt“ zu befriedigen (FuDINuR, S. 156). Zu diesem Zweck unterscheidet er zwischen einer Beobachter- und Teilnehmerperspektive. Diese werden in verschiedenen „Sprachspielen“ vertreten, die nicht aufeinander reduziert werden können. Beide Perspektiven müssen gleichzeitig betrachtet werden, um das Phänomen der Interaktion von Natur und Geist zu verstehen. Wir seien Beobachter und Kommunikationsteilnehmer in einer Person.

Habermas kritisiert u. a. das Design bestimmter neurophysiologischer Versuchsanordnungen (Libet-Experiment), denen ein eingeschränkter und einfacher Handlungsbegriff zugrunde liege und bei denen die Testpersonen durch die Versuchsanweisung schon im Vorhinein in einen Handlungsplan eingespannt seien, wodurch ein wesentlicher Freiheitsaspekt hintergangen würde (FuDINuR, S. 158f). Denn für Habermas sind „Handlungen das Ergebnis einer komplexen Verkettung von Intentionen und Überlegungen, die Ziele und alternative Mittel im Lichte von Gelegenheiten, Ressourcen und Hindernissen abwägen.“ (FuDINuR, S. 158f). Freie Handlungen seien besonders durch den „Kontext von weiterreichenden Zielen und begründeten Alternativen“ (FuDINuR, S. 159) gekennzeichnet. Er bringt es auf die griffige Formel: „Frei ist nur der überlegte Wille.“ (FuDINuR, S. 160).

Während Habermas die europäische Integration anfangs als eine primär ökonomische Veranstaltung zur Liberalisierung des Handels verstand, zeigte er sich im Laufe der 1980er Jahre als ein überzeugter Europäer und begleitete die Entwicklung in der Europäischen Union mit politisch engagierten Stellungnahmen, deren wichtigste und neueste in seiner jüngsten Publikation „Zur Verfassung Europas“ (2011) zusammengefasst sind. Darin begreift er die EU als ein „höherstufiges politisches Gemeinwesen“, als einen „entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einer politisch verfassten Weltgesellschaft“.

Parallel zum Beginn des französischen Präsidentschaftswahlkampfs 2017 bekräftigte Habermas seine pro-europäische Haltung erneut auf einer Podiumsdiskussion in Berlin mit dem Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron und dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel, zu der die Hertie School of Governance eingeladen hatte.

Jürgen Habermas plädiert seit längerem dafür, dass die proeuropäischen Parteien in einem fiskalischen Konsolidierungskonsens sich nicht mehr in Geber- und Nehmerländer spalten lassen, sondern stattdessen „länderübergreifend zu Kampagnen gegen diese Umfälschung von sozialen in nationale Fragen zusammenfinden“.

Schon 2013 beklagte Habermas, dass „eine unsäglich merkelfromme Medienlandschaft alle Beteiligten darin bestärkt, das heiße Eisen der Europapolitik im Wahlkampf nicht anzufassen und Merkels clever-böses Spiel der Dethematisierung mitzuspielen“. Habermas ging in jenem Jahr sogar so weit, der „Alternative für Deutschland“ einen Wahlerfolg zu wünschen: „Ich hoffe, dass es ihr gelingt, die anderen Parteien zu nötigen, ihre europapolitischen Tarnkappen abzustreifen. Dann könnte sich nach der Bundestagswahl die Chance ergeben, dass sich für den fälligen ersten Schritt eine ‚ganz große‘ Koalition abzeichnet.“

Habermas gilt als ein „Grenzgänger“ zwischen Philosophie und Sozialwissenschaften. Seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und lösten disziplinübergreifende Kontroversen in Philosophie, Wissenschaftstheorie, Soziologie und Politikwissenschaft aus. In Deutschland wurde Habermas, nachdem er bereits durch den Positivismusstreit und sein Werk Erkenntnis und Interesse allgemein bekannt geworden war, nach der Veröffentlichung der Theorie des kommunikativen Handelns zu einem der meistdiskutierten deutschen Philosophen der Gegenwart. Seit den 1980er Jahren erschien eine Reihe von Einführungen in sein Leben und Werk. Habermas publizierte zudem regelmäßig in zahlreichen deutschen Feuilletons wie dem der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung oder der Zeit.

Herbert Schnädelbach, der sich bei Adorno und Habermas habilitierte (1969/1970), kritisierte 1982 als einer der ersten Interpreten von Habermas’ Hauptwerk Theorie des kommunikativen Handelns, dass normative Begründungen nie vollständig objektiviert werden könnten, weil sie immer auch an die erste Person von Forschern gekoppelt seien (ich/wir). Albrecht Wellmer (fünf Jahre Assistent bei Habermas in Frankfurt) und Ernst Tugendhat (fünf Jahre Forschung mit Habermas in Starnberg) relativierten die diskursethische Konstruktion einer idealen Sprechsituation als bloße Fiktion. Karl-Otto Apel und einige seiner Schüler kritisierten, dass Habermas auf dem historischen Charakter der Kommunikationsvoraussetzungen besteht und die Möglichkeit einer Letztbegründung der Ethik ablehnt, weil sich letztere aus den jeweiligen Voraussetzungen ergäbe. Wichtige Schüler Habermas in Deutschland sind Axel Honneth und Rainer Forst, die ebenfalls einige seiner Themen reflektierten und weiterentwickelten. Auch Ulrich Oevermann, Claus Offe und Klaus Eder studierten bei ihm und wurden seine Assistenten. Aus dem Ausland kamen unter anderem Johann Arnason, Zoran Đinđić, Hans-Hermann Hoppe, Thomas A. McCarthy und Jeremy J. Shapiro hinzu.

In den USA erfreut sich Habermas bereits seit Ende der 1970er Jahre einer besonderen Beliebtheit. Im Jahr 1978 erschien dort die erste bedeutende Abhandlung über Habermas von Thomas A. McCarthy (The Critical Theory of Jürgen Habermas). Seit Beginn der 1990er Jahre ist ein Anstieg an Veröffentlichungen zu beobachten, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des Denkens von Habermas beschäftigen. Seine zahlreichen USA-Aufenthalte als Gastprofessor führten ihn mit den bedeutendsten Vertretern der amerikanischen Gegenwartsphilosophie zusammen, etwa Richard Rorty, Ronald Dworkin, Thomas Nagel, Donald Davidson, Noam Chomsky und Robert Brandom. Eine breite Aufmerksamkeit zog zudem seine Debatte mit John Rawls über dessen Konzept der Gesellschaftsbegründung (A Theory of Justice) auf sich. Mit Hilary Putnam entstand anlässlich des 70. Geburtstags von Habermas ein freundschaftlicher Dialog in mehreren wechselseitigen Aufsätzen über die Begründung von Werten und Normen im Rahmen einer pragmatischen Philosophie.

In Italien wurde Habermas in den 1970er Jahren als Vertreter der Kritischen Theorie wahrgenommen und seit Beginn der 1980er verlagerte sich das Interesse auf seine Diskurstheorie der Moral. In Frankreich kam es in den 1980er und 1990er Jahren zu Kontroversen mit Vertretern der Postmoderne (Jean-François Lyotard und Jacques Derrida). Anschließend richtete sich das Interesse verstärkt auf Habermas als Rechts- und Staatsphilosoph. Auch in Lateinamerika gilt in den letzten Jahren das Hauptinteresse Jürgen Habermas‘ Rechts- und Staatstheorie. Seine auf der Diskurstheorie basierenden Konzepte wurden dort „zu einer Art drittem Weg zwischen den weit verbreiteten konservativen Positionen und den minderheitlichen, aber trotzdem stark präsenten Positionen linksrevolutionärer Bewegungen“. Generell wird heute das spätere Werk Jürgen Habermas’ rezipiert, das er nach seiner Theorie des kommunikativen Handelns publizierte.

1999 verlieh die Theodor-Heuss-Stiftung Habermas für sein lebenslanges, prägendes Engagement in der öffentlichen Diskussion um die Entwicklung von Demokratie und gesellschaftlichem Bewusstsein den Theodor-Heuss-Preis. 2001 wurde Habermas mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, 2003 wurde ihm der Prinz-von-Asturien-Preis verliehen, und 2004 erhielt er für sein Lebenswerk den mit 364.000 Euro dotierten Kyoto-Preis der Inamori-Stiftung des japanischen Kyocera-Konzerns, eine Ehrung für Kultur und Wissenschaft mit internationaler Bedeutung. Habermas ist ferner als zweiter Preisträger mit dem Holberg-Preis der norwegischen Holberg-Stiftung ausgezeichnet worden; die Verleihung fand am 30. November 2005 in Bergen (Norwegen) statt; die mit 570.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde ihm für seine „grundlegenden Theorien über Diskurs und kommunikative Aktion“, verliehen. Der Holberg-Gedenkpreis wird seit 2004 für herausragende Arbeiten im Bereich der Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften vergeben. 2006 wurde ihm der Bruno-Kreisky-Preis für sein „literarisches und publizistisches Gesamtwerk“ verliehen und im November desselben Jahres der Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen. Der ihm 2015 verliehene Kluge-Preis gilt als der „Nobelpreis der Philosophie“.

Des Weiteren ist Habermas gewähltes Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Akademien. Dazu zählen die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (seit 1983), die American Academy of Arts and Sciences (seit 1984), die Serbische Akademie der Wissenschaften und Künste (seit 1988), die Academia Europaea (seit 1989), die British Academy und die Russische Akademie der Wissenschaften (jeweils seit 1994).

Übersicht

Monographien (nach erstem Erscheinungsjahr)

Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2014, ISBN 978-3-518-42433-9.

 Commons: Jürgen Habermas – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikibooks: Jürgen Habermas – Lern- und Lehrmaterialien
  1. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2014, S. 12.
  2. Laut Michael Funken ist er „der meistzitierte deutsche Philosoph der Gegenwart, und zwar mit Abstand“ und Ralf Dahrendorf sah in ihm „den bedeutendsten Intellektuellen meiner Generation“. In: Michael Funken (Hrsg.): Über Habermas. Gespräche mit Zeitgenossen, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 7 und 124.
  3. Habermas (1985): Die neue Unübersichtlichkeit, S. 202.
  4. Habermas: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, S. 505 f.
  5. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, S. 130.
  6. Habermas: Zwischen Naturalismus und Religion, S. 17 ff.
  7. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2014, S. 38.
  8. Joachim Fest: Ich nicht. Hamburg 2006.
  9. Andreas Zielcke: NS-Vorwürfe gegen Habermas – Verleumdung wider besseres Wissen. In: Süddeutsche Zeitung, 27. Oktober 2006.
  10. Habermas: Das Absolute und die Geschichte, S. 86.
  11. Jürgen Habermas: Mit Heidegger gegen Heidegger denken. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 170, 25. Juli 1953, Feuilleton (o. S.)
  12. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2014, S. 81.
  13. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2014, S. 86.
  14. Jürgen Habermas: Technik und Wissenschaft als Ideologie, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1968, S. 153ff
  15. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas, Suhrkamp BasisBiographie, Frankfurt am Main 2008, S. 31ff.
  16. Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 611f.
  17. Jürgen Habermas: Protestbewegung und Hochschulreform, Frankfurt am Main 1969, S. 188 ff.
  18. Briefe an Fried und Grossner; zitiert nach Gerhard Bauß: Die Studentenbewegung der sechziger Jahre, Pahl-Rugenstein, Köln 1977, ISBN 3-7609-0320-7, S. 64.
  19. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2014, S. 226.
  20. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2014, S. 234.
  21. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2014, S. 269f.
  22. Jürgen Habermas: Die apologetischen Tendenzen in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung. In: Die Zeit Nr. 29, 11. Juli 1986.
  23. Habermas: Vergangenheit als Zukunft?, S. 56 f.
  24. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2014, S. 388.
  25. Jürgen Habermas: Bestialität und Humanität. Ein Krieg an der Grenze zwischen Recht und Moral. In: Die Zeit, Nr. 18, 1999. Zwar fordert Habermas: „Wenn es gar nicht anders geht, müssen demokratische Nachbarn zur völkerrechtlich legitimierten Nothilfe eilen dürfen.“ Er fährt jedoch gegen die im Kosovokrieg angewandten Praktiken fort: „Gerade dann erfordert aber die Unfertigkeit des weltbürgerlichen Zustandes eine besondere Sensibilität.“ Und abschließend stellt er mit Blick auf den nicht von der UNO legitimierten Angriff der NATO fest: „Die Selbstermächtigung der Nato darf nicht zum Regelfall werden.“
  26. Paul Badde: Jürgen Habermas antwortet dem Papst, ohne ihn zu erwähnen. In: Die Welt, 15. September 2007.
  27. vgl. Süddeutsche Zeitung vom 21./22. Juli 2012: Da gräbt einer nach der knappen Ressource Solidarität.
  28. Habermas: Das Absolute und die Geschichte, S. 9.
  29. Habermas: Arbeit, Erkenntnis, Fortschritt, S. 80.
  30. Habermas: Theorie und Praxis, S. 400.
  31. Habermas: Kultur und Kritik, KuK, S. 107.
  32. Habermas: KuK, S. 108.
  33. Habermas, Jürgen: Kultur und Kritik : verstreute Aufsätze. 1. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-518-06625-0, S. 12.
  34. Habermas, Jürgen: Kultur und Kritik: Verstreute Aufsätze. 1. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-518-06625-0, S. 11.
  35. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, Frankfurt am Main. 1990. S. 90.
  36. Allerdings nur mit geringfügigen Rückbezügen von Habermas auf Tönnies’ umfangreichste Studie Kritik der öffentlichen Meinung von 1922 [²2002, in: TG 22, Walter de Gruyter, Berlin/New York] (vgl. Habermas 1962, VI. Abschnitt, Eingangsfußnote 39).
  37. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 292.
  38. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 339–342.
  39. Alessandro Pinzani: Jürgen Habermas. C. H. Beck, München 2007, S. 48f.
  40. Habermas: Zur Logik der Sozialwissenschaften, S. 48. – Habermas eigene logischen Anstrengungen in dieser Studie wurden allerdings von Gotthard Günther (in: Kritische Bemerkungen zur gegenwärtigen Wissenschaftstheorie – Aus Anlass von Jürgen Habermas: Zur Logik der Sozialwissenschaften. In: „Soziale Welt“, Jg. 19, 1968, S. 328–341) scharf kritisiert. (online, PDF, 69 kB)
  41. sich wiederholende
  42. Habermas: Zur Logik der Sozialwissenschaften, S. 26.
  43. Helmut Dubiel: Kritische Theorie der Gesellschaft. Weinheim und München 1988, S. 95.
  44. Vgl. Albrecht Wellmer: Communications and emancipation. Reflections on the linguistic turn in critical theory. In: John O’Neill (Hrsg.): On Critical Theory. Seabury Press, New York 1976, ISBN 0-8164-9297-2, S. 230–265.
  45. Vgl. die „Christian Gauss Lectures“ von 1971, in: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, S. 11–126.
  46. Habermas: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, S. 13.
  47. Habermas: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, S. 17.
  48. Zum folgenden vgl. auch Habermas: Was heißt Universalpragmatik? In: Karl-Otto Apel (Hrsg.): Sprachpragmatik und Philosophie. Frankfurt am Main 1976, S. 174–272, und Habermas: Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz. In: Habermas/Luhmann: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, S. 101–141.
  49. Jürgen Habermas: Wahrheitstheorien. In: Helmut Fahrenbach (Hrsg.): Wirklichkeit und Reflexion. Walter Schulz zum 60. Geburtstag. Neske, Pfullingen 1973, ISBN 3-7885-0037-9, S. 211–265, hier S. 258.
  50. Jürgen Habermas: Wahrheitstheorien. In: Helmut Fahrenbach (Hrsg.): Wirklichkeit und Reflexion. Walter Schulz zum 60. Geburtstag. Neske, Pfullingen 1973, ISBN 3-7885-0037-9, S. 211–265.
  51. Habermas: Wahrheitstheorien, S. 212.
  52. Habermas: Wahrheitstheorien, S. 218.
  53. Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns (TdkH), Bd. I, S. 9.
  54. Walther Müller-Jentsch: Theorie des kommunikativen Handelns. In: Günter Endruweit/Gisela Trommsdorf/Nicole Burzan (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie. 3. Auflage. UKV, Koblenz 2014, S. 551.
  55. Habermas: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, 1984, S. 575f.
  56. Habermas: Die neue Unübersichtlichkeit, S. 189.
  57. Habermas: Kleine politische Schriften, S. 444 ff.
  58. Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne (DphDdM)
  59. Vgl. Habermas: Wege der Detranszendentalisierung. Von Kant zu Hegel und zurück. In: Habermas: Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze. Erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-29323-0, S. 186–229 (zuerst 1999).
  60. Habermas: Treffen Hegels Einwände gegen Kant auch auf die Diskursethik zu? In: Habermas: Erläuterungen zur Diskursethik, S. 9–30, hier S. 11.
  61. Vgl. Habermas: Treffen Hegels Einwände gegen Kant auch auf die Diskursethik zu?, S. 11.
  62. Habermas: Richtigkeit versus Wahrheit. In: Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze. Frankfurt am Main 1999, S. 294.
  63. Habermas: Diskursethik – Notizen zu einem Begründungsprogramm. In: Habermas: Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt am Main 1983, S. 53–125, hier S. 70.
  64. Habermas: Vom pragmatischen, ethischen und moralischen Gebrauch der praktischen Vernunft. In: Habermas: Erläuterungen zur Diskursethik, S. 100–118, hier S. 113.
  65. Habermas: Transzendenz von innen, Transzendenz ins Diesseits. In: Habermas: Texte und Kontexte. Frankfurt am Main 1991, S. 127–156, hier S. 149.
  66. Vgl. Habermas: Vorwort. In: Erläuterungen zur Diskursethik, S. 7.
  67. Habermas: Diskursethik – Notizen zu einem Begründungsprogramm, S. 103.
  68. Habermas: Treffen Hegels Einwände gegen Kant auch auf die Diskursethik zu? In: Habermas: Erläuterungen zur Diskursethik. Frankfurt am Main 1991, S. 12.
  69. Habermas: Treffen Hegels Einwände gegen Kant auch auf die Diskursethik zu?, In: Habermas: Erläuterungen zur Diskursethik. Frankfurt am Main 1991, S. 12.
  70. Ralf Dreier: Diskurstheorie und Rechtsphilosophie. Bemerkungen zu Jürgen Habermas „Faktizität und Geltung“. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 48, 1994, Nr. 1, S. 90.
  71. Habermas: Faktizität und Geltung (FuG)
  72. Vgl. etwa Thomas Kupka: Jürgen Habermas diskurstheoretische Reformulierung des klassischen Vernunftrechts. In: Kritische Justiz 27, 1994, S. 461 ff.
  73. Habermas: Die Zukunft der menschlichen Natur (ZmN), S. 30.
  74. Habermas: Zeit der Übergänge, S. 175.
  75. Jürgen Habermas, Zeit der Übergänge, S. 176–178, 183–184, 187–188
  76. Jürgen Habermas, Zeit der Übergänge, S. 176–179, 183–190, 194–195
  77. Jürgen Habermas, Zeit der Übergänge, S. 183
  78. Jürgen Habermas, Zeit der Übergänge, S. 187
  79. Habermas: Zwischen Naturalismus und Religion, Frankfurt/Main 2005, S. 115.
  80. Habermas: Zwischen Naturalismus und Religion, Frankfurt/Main 2005, S. 149.
  81. Hans Albert, Joseph Ratzingers Rettung des Christentums – Beschränkungen des Vernunftgebrauchs im Dienste des Glaubens, S. 104
  82. Hans Albert: Der religiöse Glaube und die Religionskritik der Aufklärung. Beschränkungen des Vernunftgebrauchs im Lichte kritischer Philosophie. In: Journal for General Philosophy of Science (2006) 37, S. 355–371., hier S. 369. (jstor.org)
  83. Jürgen Habermas «Die Grenze zwischen Glauben und Wissen.», Revue de métaphysique et de morale 4/2004 (n° 44), p. 460-484
  84. Habermas: Freiheit und Determinismus. In: Habermas: Zwischen Naturalismus und Religion, FuDINuR, Frankfurt/Main 2005
  85. Jürgen Habermas: Zur Verfassung Europas. Ein Essay. Suhrkamp, Berlin 2011, S. 40.
  86. philomag.com: Emmanuel Macron adoubé par Jürgen Habermas à Berlin (franz., abgerufen am 24. April 2017)
  87. Hochspringen nach: a b Arno Widmann: Habermas wünscht der AfD Erfolg, Frankfurter Rundschau, 6. Mai 2013 (abgerufen am 28. Juni 2018)
  88. Otfried Höffe: Kategorische Rechtsprinzipien. Frankfurt am Main 1990, S. 358.
  89. Vgl. Jürgen Habermas: Werte und Normen. Ein Kommentar zu Hilary Putnams kantischem Pragmatismus. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 48, 2000, Nr. 4, S. 547–564; auch enthalten in: Habermas: Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze. Erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-29323-0, S. 271–298.
  90. Alessandro Pinzani: Jürgen Habermas, S. 200.
  91. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. August 2015
  92. http://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media.php/1290/2001_habermas.pdf
  93. fundacionprincipedeasturias.org (Memento vom 14. Mai 2008 im Internet Archive).
  94. Holberg International Memorial Prize
  95. «Europapreis für politische Kultur» geht an Jürgen Habermas (Memento vom 16. August 2008 im Internet Archive). Auf: presseportal.de, 10. August 2008.
  96. boersenblatt.net 29. Januar 2013 Literarisches Leben – Auszeichnungen Jürgen Habermas erhält Erasmus-Preis, abgerufen am 29. Januar 2013
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Herbert Werner

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Richard David Brecht, 1964 – 

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Richard David Precht (2015)

Richard David Precht (* 8. Dezember 1964 in Solingen) ist ein deutscher Philosoph und Publizist. Er ist Honorarprofessor für Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg und Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin.[1][2] Seit dem großen Erfolg mit Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? wurden seine Bücher zu philosophischen oder gesellschaftspolitischen Themen Bestseller. Sie erschienen in über vierzig Sprachen. Seit 2012 moderiert er die Sendung Precht im ZDF.

Richard David Precht wuchs in einer Familie mit fünf Kindern auf, davon zwei vietnamesische Adoptivkinder, die seine Eltern 1969 und 1972 als Zeichen des Protests gegen den Vietnamkriegaufgenommen hatten. Sein Vater Hans-Jürgen Precht arbeitete als Industriedesigner bei dem Solinger Unternehmen Krups und beschäftigte sich mit Literatur sowie dem Aufbau und der Pflege einer größeren Privatbibliothek. Die Mutter engagierte sich im Kinderhilfswerk Terre des Hommes. Die Kinder wuchsen in einem linksgerichteten Milieu auf.

Nach dem Abitur im Juni 1984 am Solinger Gymnasium Schwertstraße leistete Precht seinen Zivildienst als Gemeindehelfer bis September 1985 ab. Danach nahm er ein Studium der Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Köln auf und wurde 1994 in Germanistik zum Dr. phil. promoviert.[3] In seiner Dissertation untersuchte er die „gleitende Logik der Seele“ in Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften.[4]

1997 war Precht Arthur F. Burns Fellow bei der Chicago Tribune, 1999 erhielt er das Heinz-Kühn-Stipendium. 2000/2001 war er Fellow am Europäischen Journalistenkolleg in Berlin. Als Essayistschreibt Precht für deutsche Zeitungen und Zeitschriften. Von 2002 bis 2004 war er Kolumnist der Zeitschrift Literaturen und von 2005 bis 2008 freier Moderator der WDR-Hörfunksendung Tageszeichen (ehemals Kritisches Tagebuch).

Precht ist seit 2013 Schirmherr des Bundesverbandes von Mentor – die Leselernhelfer Hannover e. V. Die Initiative setzt sich für die Förderung leseschwacher Schüler durch engagierte Bürger ein. Er war mit der luxemburgischen Fernsehmoderatorin und stellvertretenden Chefredakteurin von RTL Télé Lëtzebuerg, Caroline Mart, verheiratet. Die Ehe wurde geschieden.[5]

1999 schrieb Precht mit seinem Bruder Georg Jonathan den detektivischen Bildungsroman Das Schiff im Noor. Das Buch spielt im Jahr 1985 und benutzt die dänische Insel Lilleö (in Wirklichkeit: Ærø) als Kulisse für ein kompliziertes Gespinst aus Motiven und Analogie, etwa jener zwischen Theologie und Polizeiarbeit. An der Oberfläche ist das Buch eine Detektivgeschichte um ein versunkenes Schiff und einen lange zurückliegenden Mord. Tiefer liegend handelt das Buch von der Ordnung der Dinge. Auch der Philosoph Michel Foucault fehlt nicht, der in der Gestalt des Restaurators Mikkel Folket auftritt. Das Buch erschien 2009 neu unter dem ursprünglich geplanten Titel Die Instrumente des Herrn Jörgensen.

Der Roman Die Kosmonauten aus dem Jahr 2002 erzählt die Liebesgeschichte und Identitätsfindung der Endzwanziger Georg und Rosalie, die sich in Köln kennengelernt hatten und kurz darauf in das Berlin der Nachwendezeit 1990/91 zusammengezogen waren. Zunächst leben sie das Leben von Bohemiens in Berlin-Mitte, von dem sich Rosalie im Verlauf der Handlung zunehmend distanziert. Sie ändert ihre Einstellungen, verliebt sich in einen anderen Mann und trennt sich schließlich von Georg, um ein bürgerliches Leben zu führen. Am Ende des Romans kommt ihr gemeinsamer Freund Leonhard durch einen tragischen Unfall ums Leben. Parallel dazu erzählt Precht in kurzen Episoden das Schicksal von Sergej Krikaljow, dem letzten Kosmonauten der Sowjetunion.

In dem 2005 erschienenen autobiographischen Buch Lenin kam nur bis Lüdenscheid – Meine kleine deutsche Revolution erinnert sich Precht aus Kinderperspektive an seine Kindheit in den 1970er Jahren zurück, als er in einer politisch links von der SPD Helmut Schmidts orientierten Familie aufwuchs. Gleichzeitig hält er Rückschau auf die weltpolitischen Ereignisse und gesellschaftspolitischen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR der 1960er, 1970er und 1980er Jahre und beschreibt politische Einstellungen, ideologische Haltungen sowie Alltagsdetails der Epoche. Das Buch wurde 2007 mit Unterstützung vom WDR, SWR und der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen verfilmt.[6]

In seinem 1997 erschienenen Buch Noahs Erbe befasst sich Precht mit den ethischen Fragen im Verhältnis von Mensch und Tier und deren gesellschaftlichen Konsequenzen. Dabei plädiert er für einen veränderten Umgang mit Tieren auf der Basis einer „Ethik des Nichtwissens“. Das Buch wurde grundlegend überarbeitet und erschien 2016 neu unter dem Titel: Tiere denken. Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen. In vier Teilen – „Das Menschentier“, „Das Tier im Auge des Menschen“, „Eine neue Tierethik“ und „Was tun?“ – schlägt Precht einen Bogen von der biologisch-anthropologischen Frage über die Kultur-, Religions- und Philosophiegeschichte der Mensch-Tier-Beziehung hin zu einer philosophischen Neubegründung der Tierethik als „Sensibilisierung“. Der letzte Teil des Buches behandelt praxisbezogene Fragen wie das Tierschutzgesetz, die Jagd, vegetarische Ernährung, Tierversuche, Zoologische Gärten und Artenschutz.

2007 schrieb Precht eine allgemeinverständliche Einführung in grundlegende philosophische Fragen. Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? stand viele Jahre auf der Sachbuch-Bestsellerliste. Das Werk wurde im Februar 2008 auf den ersten Platz der SpiegelBestsellerliste genommen und blieb dort bis Oktober 2012. Precht hält damit den Langzeitrekord auf der Spiegel-Bestsellerliste. Laut Buchreport war es das erfolgreichste deutsche Hardcover-Sachbuch des Jahres 2008 und belegte in den Bestsellern des Jahrzehnts (2000–2010) den dritten Platz.[7]

In seinem 2009 erschienenen Buch Liebe: Ein unordentliches Gefühl befasst sich Precht mit der Biologie, der Evolution, der sozialen und der psychologischen Dimension der Liebe.

2010 erschien Die Kunst, kein Egoist zu sein. Precht geht in dem Buch der Frage nach, „wie Menschen tatsächlich moralisch funktionieren.“ Dazu müsse sich der Philosoph heutzutage auch „in die Skizzen der Hirnforscher, Evolutionsbiologen, Verhaltensökonomen und Sozialpsychologen vertiefen.“[8] Die Bereitschaft zu persönlicher Verantwortungsübernahme sieht Precht in der modernen Gesellschaft durch die Pluralität der Rollen, in denen das Individuum agiert, geschwächt. „Bereits mein Wikipedia-Eintrag zergliedert mich in lauter verschiedene Kategorien […] Die Zugehörigkeit zu mehreren Rollen erleichtert es mir beträchtlich, für das Große und Ganze dieser Welt nicht verantwortlich zu sein. Verantwortlich – das sind immer die anderen. Die Politiker zum Beispiel oder die Wirtschaftsbosse. Bedauerlicherweise zerfallen auch sie in lauter kleine Rollen.“[9] Im dritten Teil der Untersuchung („Moral und Gesellschaft“) möchte Precht zu Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik anregen, mit denen sich „unser Engagement für andere fördern lässt – in Zeiten, in denen unsere Gesellschaft auf dem Spiel steht wie seit Jahrzehnten nicht mehr.“[10] Um die langfristigen Probleme lösen zu können, bedürfe es eines Umbaus hin zu mehr Mitbestimmung und mehr direkter Demokratie. Gebraucht werde „mehr Verantwortung von oben und von unten.“[11]

2011 erschien Warum gibt es alles und nicht Nichts?, ein Buch über philosophische Fragen und ihre Antworten unter Einbeziehung seines Sohnes Oskar, mit dem der Vater bei Spaziergängen durch Berlin ein Frage-und-Antwort-Spiel unternimmt.

2013 veröffentlichte Precht ein Buch zur Bildung und zum deutschen Schulsystem. In Anna, die Schule und der liebe Gott: Der Verrat des Bildungssystems an unseren Kindern übt er eine grundlegende Kritik am bestehenden Bildungssystem und fordert eine „Bildungsrevolution“, weil das bestehende System weder kindgerecht noch effektiv sei.

2015 erschien Erkenne die Welt, der erste Band einer auf drei Bände angelegten Geschichte der Philosophie. Precht legt das Vorhaben in begrifflicher Anlehnung an Kant als eine „philosophierende Philosophiegeschichte“ an[12] und will das ideengeschichtliche Verständnis der Leserschaft durch Hinweise auf die je zeitgenössische Politik, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte fördern. (S. 16 f.) Das explizit auf die abendländische Philosophiegeschichte (S. 11) beschränkte „gesamte Werk versteht sich als eine Art Fortsetzungsroman der immer gleichen großen Fragen in ihren jeweils neuen Zeitgewändern.“ (S. 19). Der zweite Band Erkenne dich selbst erschien im Herbst 2017. Der dritte und letzte Band soll im Oktober 2019 erscheinen.[13]

In seinem 2018 erschienenen Buch Jäger, Hirten, Kritiker. Eine Utopie für die digitale Gesellschaft beschäftigt sich Precht mit den Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Arbeitswelt, die Psyche, die Gesellschaft und die Politik. Er bemängelt das Fehlen einer gesellschaftlichen Utopiefähigkeit, wodurch der Fortschritt allein der Technik und der Ökonomie überlassen werde, mit gefährlichen Folgen. Precht sagt eine völlige Transformation der Arbeitswelt voraus, in der deutlich weniger Menschen als bisher in festen Arbeitsverhältnissen arbeiten würden. Prognosen, wonach die Digitalisierung ebenso viel bezahlte Arbeit schaffe, wie sie vernichte, hält er für illusorisch. Um die Menschen in Zukunft zu befähigen, ein erfülltes Leben zu führen, sieht er als einzige Möglichkeit die Absicherung durch ein bedingungsloses Grundeinkommen, mitfinanziert durch Finanztransaktionssteuern. Gesellschaftlich kritisiert er den „Messbarkeitswahn“ und die Verengung des Menschenbildes auf das Quantitative, das er als Anschlag auf die Humanität sieht. Eine Welt nur aus Plänen, ohne echte „Geschichten“, hält er für weniger lebenswert als die derzeitige Lebenswelt in den Industrieländern. Entsprechend fordert er beim Einsatz Künstlicher Intelligenz eine Grenze überall dort, wo Moralität betroffen ist. Das Buch endet mit einem Plädoyer, über die engen Grenzen unseres gegenwärtigen Gesellschaftsmodells hinauszudenken und realistische Bilder einer lebenswerten Zukunft zu entwerfen, in der nicht die Technik, sondern die Humanität im Mittelpunkt steht. Der Soziologe Armin Nassehi lobte das Buch in der FAZ als eine „Streitschrift, die in der Lage ist, das Unbehagen in der und an der Moderne auf den Begriff zu bringen.“[14] Elisabeth von Thadden schrieb in der ZEIT: „Prechts Weigerung, das Handtuch zu werfen, wirkt gewinnend, wer gibt schon gern auf. Und Prechts Gangart ist klug: Er versteht es, zu fragen, wer „unsere Seelenheimaten vor dem Ausverkauf“ schützen könne, und den Konservativen doch freundlich zu sagen, eine realistische Alternative zu diesem Ausverkauf hätten sie leider nicht anzubieten.“[15]

Seit Dezember 2010 ist Precht Mitherausgeber der Zeitschrift agora42.

Das ZDF strahlt seit 2012 unter dem Titel Precht[16] eine Sendereihe mit Gesprächspartnern aus Politik und Gesellschaft aus, bei denen Precht als Gastgeber und Dialogpartner fungiert.[17][18]Sie ist sechsmal im Jahr an späten Sonntagabenden zu sehen und dauert je 45 Minuten. Regie führt Gero von Boehm.

2011 in Frankfurt am Main

Nicht erst seit Bestehen seiner Fernseh-Sendung Precht ist Richard David Precht in den Medien mit eigenen Stellungnahmen zu aktuellen politischen Themen präsent. Auch in Vorträgen und Büchern nimmt er sich sowohl philosophischer Themen als auch politischer Gegenwarts- und Zukunftsfragen mit beachtlicher Resonanz an.

Für Precht ist der „weltgeschichtlich einmalige Ausnahmezustand“ in der Bundesrepublik Deutschland während der letzten Jahrzehnte, der bei immer weniger individuell zu leistender Arbeit gleichwohl immer mehr Wohlstand hervorgebracht habe, vorbei. Die herkömmliche Wirtschaftsweise sei nun der globalen Konkurrenz ausgesetzt, was den verfügbaren Kuchen kleiner mache und die Zahl der Mitesser vermehre. Die vom „Wachtumswahn“ angerichteten Schäden verwickelten die nachfolgenden Generationen in einen Kampf um Überlebensstrategien und Reparaturen.[19] Das notwendige Umdenken hin zu einer nachhaltigeren und verantwortungsvolleren Wirtschaftsweise betreffe gleichermaßen Staat, Banken, Bürger und Unternehmer. Gefordert sei ein neues unternehmerisches Ethos. „Auf allen Ebenen müssen Instrumente wirksam werden, welche die Spielräume für Fahrlässigkeit, Gier und Missbrauch verkleinern und soziale Verantwortung fördern.“[20]

Die vom Staat in geordneter Form zu erbringenden Sozialleistungen sieht Precht zurückgehen. „Man sollte die Diskussion über ein Mehr oder weniger an Staat nicht weiter so führen, als hätte man es hier mit allzu vielen Optionen zu tun. Ähnlich wie bei der Diskussion um das Wirtschaftswachstum geht es schon lange nicht mehr darum, ob man das will – sondern darum, was in Zukunft überhaupt noch möglich sein wird.“[21] Dem Kommunitarismusangenähert entwickelt Precht die Vorstellung, dass die bürgerliche Mittelschicht bei jenen Aufgaben einspringen solle, für die dem Staat in Zukunft die Mittel fehlen. An Potenzial dafür sieht er keinen Mangel, da jeder dritte Bundesbürger über 14 Jahren sich ehrenamtlich betätige, auch wenn ein Großteil davon auf Sportvereine entfalle. Zunächst denkt Precht dabei vor allem an die Rentner und Pensionäre der „goldenen Generation“ mit sicheren Alterseinkünften und hoher Lebenserwartung. „In dieser unglaublich komfortablen Situation, die sie nicht allein aus eigener Leistung geschaffen haben, stehen sie durchaus in einer moralischen Bringschuld.“[22]

In zahlreichen Vorträgen, Essays und Interviews beschäftigt sich Precht mit den Folgen der Digitalisierung für unsere Gesellschaft.[23][24] Er kritisiert, dass die Politik die Digitalisierung nahezu ausschließlich als ein technisches Problem begreife und sich kaum eine andere Frage stelle als die nach der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Für Precht ist die Digitalisierung dagegen eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die dringend der politischen Gestaltung bedarf. Wenn die Politik nicht schnell genug handle, sieht Precht düstere Zukunftsszenarien: eine auf „Effizienzgewinn“ und „Monopolisierung“ ausgerichtete Gesellschaft bei gleichzeitiger Massenarbeitslosigkeit. „Computer und Roboter kosten keine Sozialabgaben, beziehen keine Rente, kein Urlaubs-oder Müttergeld. Sie schlafen nicht, sondern arbeiten ohne Mühen Tag und Nacht.“[25]

Die Digitale Revolution bringe die radikalste Spielart kapitalistischer Wirtschaft hervor, durch die das Nutzerverhalten „in bunt und hübsch designten Lebenswelten“ manipuliert und eine bisher ungekannte Macht auf das Unterbewusstsein der Menschen ausgeübt werde. „Und sie dringt in alle sozialen Räume vor, ins Auto, in die Wohnung, in Freundschaften und Liebesbeziehungen.“[26]

Tatsächlich zu verdanken sei der digitalen Technik „eine immer globalere Einheitszivilisation“ mit allem, was sich daran „an Gewinnen bejubeln und an Verlusten betrauern“ lasse: „Der digital Code setzt sich spielend über Länder- und Kulturgrenzen hinweg und ebnet sie ein in einer technischen Universalsprache aus Einsen und Nullen, am Nil so verständlich wie am Rhein und am Amazonas.“[27] Indem digitale Technik meist sehr viel Energie benötige, verstärke sie eine unheilvolle Entwicklung. Allein die Technologie für die Kryptowährung Bitcoin verbrauche im Jahr laut Manager Magazin fast so viel Strom wie ganz Dänemark. „Google, Facebook und Co. können alles – nur nicht den Klimawandel stoppen, den Welthunger bezwingen oder die Bodenschätze und das Trinkwasser vermehren.“ Die Digitalisierung treibe Ressourcenausbeutung und Klimawandel immer weiter voran.[28]

Mit dem Informatiker Manfred Broy fordert Precht dazu auf, ein „positives Zukunftsszenario“ zu entwickeln: „Warum zeigen wir nicht, wie aufgrund der Möglichkeiten der Digitalisierung eine neue Form der Gesellschaft, Wirtschaft und Lebensführung entstehen kann?“[29] Erbe der Aufklärung sei es, sich die Zukunft von Menschen gestaltet zu denken, sie nicht in Gottes Hand oder in die Hand „einer eigengesetzlichen Evolution von Technologie“ zu legen. „Holen wir uns unsere Autonomie zurück – nicht nur in unserem Interesse, sondern vor allem im Interesse aller künftigen Generationen!“[30]

Im Rahmen seiner Darlegungen zu Themen wie Digitalisierung, Bürgergesellschaft, Bildung und Armut bezieht Richard David Precht Position für ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE). Als wesentliche Gründe dafür nennt er die durch die Digitalisierung zu erwartende höhere Arbeitslosigkeit, die Verhinderung kollektiver Armut und die Finanzierbarkeit eines BGE durch Finanztransaktionssteuern.[31] Bereits jetzt zeige sich angesichts von Minijobs, Leiharbeit, Scheinselbständigkeit und unbezahlten Praktika, dass der Sozialstaat nicht mehr intakt sei.

2018 hatten nur noch 53 Prozent der Beschäftigten, so Precht, nach Tarif bezahlte Arbeit. Dementsprechend würden künftig immer weniger Menschen im Alter von ihrer Rente leben können. In solchen Konstellationen könne das BGE für Absicherung sorgen.[32] In einer „humanen Gesellschaft der Zukunft“ werde durch das bedingungslose Grundeinkommen ein allein auf Erwerbsarbeit gegründeter Leistungsbegriff überwunden, der ohnehin blind sei für die sozialen Lebensleistungen vieler Menschen. „Der Zwang, monotone und demoralisierende Arbeit auszuüben, entfällt. Damit sind die materiellen Grundlagen für eine Gesellschaftsutopie geschaffen, die den Menschen als freies Individuum begreift.“[33]

Zum Thema Migration meint Precht, dass „der Exodus der Flüchtlinge aus ihren Heimatländern […] gerade erst begonnen“ habe. Er werde „die Geografie des 21. Jahrhunderts umformen. Und er wird die Politik der reichen europäischen Länder verändern müssen im Hinblick auf eine neue völkerübergreifende Solidarität.“[34] In diesem Sinne plädiert er mit Rupert Neudeck für eine flüchtlingspräventive Außenpolitik und eine gezielte Entwicklungshilfe für wenige ausgewählte Länder, um diese tatsächlich entscheidend voranzubringen.[35]

Spätestens seit dem Brexit-Referendum brauche Europa ein neues Narrativ, meint Precht, das die an den Weltkriegen ausgerichtete Erzählung „vom Lernen der Völker und dem Sieg des Friedens über rücksichtlose Konkurrenz und blutige Barbarei“ ablöst. Die Antwort sei bei Alexis de Tocqueville in dem Werk über die Demokratie in Amerika zu finden. Dort gehe es um Gleichartiges wie heute in Europa: „uninteressierte Bürger, ein Volk von Händlern, nicht mit dem Gemeinwohl beschäftigt, sondern mit sich selbst.“ Je größer der Wohlstand, umso unpolitischer die Menschen – mit einer am Ende ausgehöhlten Demokratie. Mit dem Blick auf die gegenwärtige Ausrichtung der Europäischen Union und ihrer Bürger wendet sich Precht gegen einen „grenzenlosen Kapitalismus“: „Bis in die feine Unterwäsche unseres Bewusstseins hat er unsere Staatsbürgerschaft gelöscht und uns zu Kunden, Konsumenten und Usern gemacht.“ Gewiss gebe es auch hierzulande eine – tendenziell noch abnehmende – Minderheit von Menschen, denen am Gemeinwohl liege und die ihre Freiheit einübten, indem sie sich für das Gemeinwohl engagierten. Man könne aber nicht beides haben, so Prechts abschließend in Übereinstimmung mit Tocqueville: „leidenschaftliche Staatsbürger, die sich um das Gemeinwohl kümmern, und leidenschaftliche Konsumenten, die täglich nach ihrem Vorteil gieren.“[36]

Precht ist ein scharfer Kritiker des bestehenden deutschen Bildungssystems, das er weder für effektiv noch für kindgerecht hält. Er fordert eine „Bildungsrevolution“, ähnlich wie jene in den 1960er und 1970er Jahren, um Deutschlands Schulen für eine unter digitalen Vorzeichen völlig veränderte Gesellschaft fit zu machen. Neben Lehrern möchte er kompetente Personen von außerhalb in den Schulalltag einbeziehen. Beispielsweise sollten in Schulen zusätzlich renommierte Praktiker unterrichten, auch solche im Ruhestand. In Fächern wie Mathematik sieht er die Chance, mittels elektronischer Hilfen besser auf den Wissensstand von Schülern und Studenten einzugehen. Ebenso ist er der Meinung, dass Vorlesungen im Grundstudium an der Universität in vielen Fächern heute nicht mehr zeitgemäß seien, da man sich besser eine Einführungsvorlesung eines Nobelpreisträgers zu Hause anschaut, wobei man zurückscrollen kann, wenn man etwas nicht versteht.[37][38] Für die Lehrerausbildung schlägt er Castings als Auswahlverfahren vor, um wenig begabte Pädagogen frühzeitig auszusieben. Statt für Fachseminare der Lehrerausbildung plädiert er für „Lehrer-Akademien“ nach dem Vorbild von Kunsthochschulen.

Im Hinblick auf den Umgang mit Tieren in der Gesellschaft erkennt Precht eine „Schizophrenie“ zwischen Haustierhaltung und hoher Sensibilität vieler Menschen auf der einen und der alltäglichen Praxis der Tierhaltung auf der anderen Seite. Er fordert eine tierethisch orientierte Reform des Rechts hinsichtlich der Aufnahme von Tierrechten in das Tierschutzgesetz und lehnt die weithin noch gesellschaftlich akzeptierte Jagd, Pelztierfarmen, die industrielle Massentierhaltung und -verwertung, Tierversuche und besonders die Versuche an Primaten ab.[39]

Grundlegend gegen das Klonen erbidentischer Menschen spricht nach Precht vor allem die Menschenwürde, die die Einzigartigkeit des menschlichen Individuums einschließt; der Klon aber wäre ein „Dividuum“, ein Geteiltes – mit vorhersehbaren psychischen Risiken.

Beim Klonen zu Forschungszwecken ist Precht die getrennte Betrachtung von embryonalen Stammzellen („wie Neuschnee, der alle erdenklichen Farben und Formen annehmen kann“) und adulten Stammzellen mit begrenzteren Wandlungsmöglichkeiten wichtig. Zwar verstoße die zweckgerichtete Nutzung embryonaler Stammzellen nicht gegen die Menschenwürde (die ein Bewusstsein voraussetze), doch hätten adulte Stammzellen, die zu Therapiezwecken aus eigenen Körperorganen gewonnen werden, den Vorzug, keine Abstoßungsreaktionen auszulösen. Bei Abwägung der aus der embryonalen und adulten Stammzellforschung abgeleiteten Heilsversprechen erscheine vorläufig die Forschung mit adulten Stammzellen als „der viel bessere Weg.“[40]

Wie bei der Schönheitschirurgie bereits im Schwange könnte laut Precht auch die Reproduktionsmedizin „zu einem rasant wachsenden Markt werden, der ganz neue Normen in die Welt setzt.“ Mit der Zunahme der technischen Möglichkeiten wüchsen auch „die Begehrlichkeiten ehrgeiziger und unerschrockener Eltern.“ Neben der Vorbestimmung des Geschlechts im Zuge der Präimplantationsdiagnostik (PID) kämen dann auch Größe und diverse geschmacks- bzw. trendbedingte Schönheitsmerkmale in Betracht.

Auch wenn es nicht Aufgabe des Staates sei, so Precht, Eltern vor ihren Wünschen und ihrem Geschmack zu bewahren, habe er doch absehbaren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. „Wenn heute und in Zukunft ausgewählt werden kann, was vorher der Zufall bestimmte, ergeben sich Folgeketten von unabsehbarem Ausmaß.“ Von einer „Konsum-Eugenik“ zu fürchten sei „eine tiefe allgemeine Verunsicherung.“[42]

Hinsichtlich der Zulässigkeit ärztlicher Sterbehilfe für unheilbar todgeweihte Patienten unterscheidet Precht einschlägig zwischen passiver Sterbehilfe, etwa durch Behandlungsabbruch, indirekter Sterbehilfe durch Verabreichung lebensverkürzender starker Schmerzmittel, Beihilfe zur Selbsttötung, etwa durch Bereitstellung tödlicher Substanzen, und aktiver Sterbehilfe, zum Beispiel durch Setzen einer Giftspritze. Dabei lässt Precht ein Selbstbestimmungsrecht auf Sterben – als der Menschenwürde zugehörig – nicht uneingeschränkt gelten. „Die meisten Menschen sind sicher intuitiv der Ansicht, dass eine schmerzlindernde Pflege zum Tode der bessere Weg ist als eine Giftspritze. Dieses intuitive Gefühl ist fest verankert in der Natur des Menschen […].“[43]

Folglich könne aktive Sterbehilfe nur als letztes Mittel geleistet werden, „wenn kein anderer Weg offensteht.“. Palliativmedizin sei deshalb entsprechend intensiv zu fördern und für Ärzte wie Patienten der humanere Weg. Unter Hinweis auch auf einen möglicherweise zunehmenden sozialen Erwartungsdruck im Falle der Zulassung ärztlicher Sterbehilfe resümiert Precht: „Was heute im Einzelfall in der Grauzone von passiver, indirekter und aktiver Sterbehilfe in deutschen Krankenhäusern tatsächlich geschieht, dürfte allemal besser sein als eine rechts- und moralphilosophisch klare und eindeutige Position für die aktive Sterbehilfe.“[44]

Laut Neuer Zürcher Zeitung ist Precht „der einzige zeitgenössische Philosoph, dessen Name zum Phänomen geworden ist“.[45] Precht wird als öffentlicher Intellektueller wahrgenommen, als „Bürgerphilosoph“ (DIE ZEIT),[46] „mediale Allzweckwaffe“ (DER SPIEGEL)[47] und als „Weltbegriffsphilosoph“ (THE EUROPEAN).[48] Seine populärphilosophischen Sachbücher der Jahre 2007–2011 vermittelten aktuelle Themen der gegenwärtigen Philosophie einer breiten Öffentlichkeit. Seit 2013 bereitet Precht die Philosophiegeschichte des Abendlandes als Problemgeschichte auf und mischt sich in gesellschaftliche Debatten wie die Frage nach einem besseren Bildungssystem, einer künftigen Tierethik oder den gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung ein. Seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen werden in den Medien sehr viel und oft stark kontrovers diskutiert.

 

Noahs Erbe. Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2000, ISBN 3-499-60872-3.

Die Invasion der Bilder. Niemand stellt Fragen, das Digitalfernsehen antwortet. In: Die Zeit. 8. August 1997

Lenin kam nur bis Lüdenscheid. Dokumentar- und Spielfilm, Deutschland, 2008, 88 Min., Drehbuch: Richard David Precht, Regie: André Schäfer, Produktion: Florianfilm, im Auftrag von WDR, SWR, Kino-Premiere: 1. Juni 2008 in Solingen,[53] Film-Besprechung:[54] Der Dokumentarfilm wurde für den Deutschen Filmpreis 2009 nominiert.

Gero von Boehm: Richard David Precht. 18. Februar 2009. Interview in: Begegnungen. Menschenbilder aus drei Jahrzehnten. Collection Rolf Heyne, München 2012, ISBN 978-3-89910-443-1, S. 650–660.

 Commons: Richard David Precht – Sammlung von Bildern
  1. Philosoph Precht lehrt an der Leuphana. ndr.de, 1. Juni 2011, archiviert vom Original am 19. Juli 2011; abgerufen am 17. Juni 2011.
  2. Pressemitteilung der Uni, abgerufen am 4. November 2017.
  3. Gegenüber Ursula März hob Precht hervor, dass er sein Studium im akademischen Sprint von acht Semestern und mit Bestnoten absolviert habe, desgleichen die Promotion über Musil. (Unser Bürgerphilosoph. Seine Bücher sind in den Bestsellerlisten fest geparkt. Richard David Precht gelingt das Kunststück, das Anspruchsvolle einem großen Publikum zu vermitteln. Eine Begegnung mit dem Schriftsteller und Philosophen. Ursula März in Die Zeit, 5. Januar 2011; abgerufen am 31. Januar 2019.)
  4. Titel der Dissertation von 1994: Die gleitende Logik der Seele. Ästhetische Selbstreflexivität in Robert MusilsDer Mann ohne Eigenschaften
  5. Philosophie als Erfolgsmodell. Richard David Precht wird 50: Kölner musste lange auf Anerkennung warten. In: Die Welt. 5. Dezember 2014, abgerufen am 1. Dezember 2015.
  6. Der Film lief 2008 in deutschen Programmkinos und erreichte mehr als 20.000 Zuschauer.
  7. Buchreport: Jahresbestseller 2008 (Memento vom 19. Oktober 2013 im Internet Archive)
  8. Die Kunst, kein Egoist zu sein. Taschenbuchausgabe 2012, S. 14 f.
  9. Die Kunst, kein Egoist zu sein. Taschenbuchausgabe 2012, S. 307 f.
  10. Die Kunst, kein Egoist zu sein. Taschenbuchausgabe 2012, S. 20 f.
  11. Die Kunst, kein Egoist zu sein. Taschenbuchausgabe 2012, S. 471 und 488.
  12. „Fast alle Fragen der antiken Welt sind noch immer die unseren: Was ist ein gutes Leben? Was ist Wahrheit? Gibt es Gerechtigkeit, und wenn ja, wie ist sie möglich? Hat das Leben einen Sinn? Wo steht der Mensch in der Natur und im All? Gibt es Gott? Usw. Wie ein roter Faden ziehen sich diese Fragen durch die Reflexionen der Menschheitsgeschichte. Will man ihnen gerecht werden, kommt man nicht umhin, die Sichtweisen früherer Philosophen aus heutiger Perspektive einzuordnen, zu bewerten und Stärken von Schwächen zu unterscheiden.“ (Erkenne die Welt, S. 17)
  13. Interview mit Richard David Precht: „Philosophieren ist kein Überlebensvorteil“ in: Berliner Zeitung. 1. Januar 2018
  14. https://www.buecher.de/shop/zeitfragen/jaeger-hirten-kritiker/precht-richard-david/products_products/detail/prod_id/50576810/#reviews
  15. https://www.zeit.de/2018/22/richard-david-precht-jaeger-hirten-kritiker
  16. Homepage der Sendung
  17. Michael Hanfeld: ZDF stellt „Philosophisches Quartett“ ein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. März 2012, abgerufen am 26. März 2012.
  18. Precht will Alltagsprobleme der Menschen thematisieren. In: Die Welt, 23. Juli 2012, abgerufen am 26. Juli 2012.
  19. Die Kunst, kein Egoist zu sein. Taschenbuchausgabe 2012, S. 435 und 374. „Tatsächlich fördert das Wirtschaftswachstum schon lange nicht mehr den Wohlstand, sondern es ruiniert ihn. Jede neue Autobahn erhöht die Lärmentwicklung, jedes neue Einkaufscenter enteignet den Mittelstand, und die Abwrackprämie bezahlen der Steuerzahler und die Umwelt.“ (Richard David Precht: Die entfremdete Republik. Bei der Präsidentenwahl geht es um mehr als nur um ein Amt oder eine Person. In: Der Spiegel. Nr. 26, 2010, S. 116–117 (online – 28. Juni 2010).)
  20. Die Kunst, kein Egoist zu sein. Taschenbuchausgabe 2012, S. 411.
  21. Die Kunst, kein Egoist zu sein. Taschenbuchausgabe 2012, S. 423 f.
  22. Auf lange Sicht müssten allerdings alle Generationen die vom zunehmend überforderten Staat offen gelassenen Lücken füllen. (Die Kunst, kein Egoist zu sein. Taschenbuchausgabe 2012, S. 420 f.)
  23. Richard David Precht: Gedanken zur digitalen Revolution. (Nicht mehr online verfügbar.) In: VISIONMAG. 12. August 2016, archiviert vom Original am 2. Februar 2017; abgerufen am 26. Januar 2017. i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  24. Marc Boos: Richard David Precht: Wir brauchen eine positive Utopie. 3. Mai 2016, abgerufen am 11. Februar 2018.
  25. Jäger, Hirten, Kritiker. 2018, S. 129.
  26. Jäger, Hirten, Kritiker. 2018, S. 38.
  27. Jäger, Hirten, Kritiker. 2018, S. 35.
  28. Jäger, Hirten, Kritiker. 2018, S. 248.
  29. Manfred Broy und Richard David Precht: Daten essen Seele auf. Die Digitalisierung wird zur vierten industriellen Revolution. Doch es fehlt eine gesellschaftspolitische Antwort. In: DIE ZEIT. Nr. 5, 2017, S. 8.
  30. Jäger, Hirten, Kritiker. 2018, S. 261.
  31. https://www.xing.com/news/klartext/warum-ich-mich-fur-das-grundeinkommen-einsetze-2414
  32. Jäger, Hirten, Kritiker. 2018, S. 141 f.
  33. Jäger, Hirten, Kritiker. 2018, S. 149.
  34. Richard Precht: Moral: Echte Träume, echte Not. In: Die Zeit. 14. Januar 2016, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 4. Dezember 2016]).
  35. Kosake van Ze: Richard David Precht und Rupert Neudeck. 12. September 2015, abgerufen am 4. Dezember 2016.
  36. Unsere gereizten Seelen. Europa braucht Staatsbürger und keine Konsumenten. Ein Plädoyer für eine neue europäische Erzählung. In: Die Zeit 22. September 2016, S. 42.
  37. Richard David Precht: Vergesst das Wissen! Sternstunde Kultur, SF, 23. November 2013
  38. Vergesst Precht! In: FAZ. 6. Mai 2013.
  39. „Das Elend ist größer als je zuvor“, Richard David Precht über Fleischkonsum und Tierhaltung: Naturefund. In: www.naturefund.de. Abgerufen am 4. Dezember 2016.
  40. Precht: Wer bin ich…? 28. Aufl. 2007, S. 242–249; Zitate S. 245 und 249.
  41. Precht: Wer bin ich…? 28. Aufl. 2007, S. 252 und S. 256 f. „Wie viele Kinder werden einst gegen ihre Eltern klagen, weil sie sie nicht frühzeitig ‚optimiert‘ haben? Denn auf die PID werden wohl in absehbarer Zeit die Prä-Implantations-Reparatur (PIR) und die Prä-Implantations-Optimierung (PIO) folgen.“ (Ebenda, S. 257)
  42. Precht: Wer bin ich…? 28. Aufl. 2007, S. 261 f.
  43. Precht: Wer bin ich…? 28. Aufl. 2007, S. 198 f.; Zitat S. 206.
  44. Precht: Wer bin ich…? 28. Aufl. 2007, S. 207 f.
  45. Claudia Mäder: Richard David Precht über die Gegenwart: «Der Philosophie steht eine neue grosse Zeit bevor». In: Neue Zürcher Zeitung. 19. November 2016, ISSN 0376-6829(nzz.ch [abgerufen am 21. November 2016]).
  46. „Precht machte nicht nur im Affenzahn Karriere. Er etablierte nebenbei das Modell des bürgernahen, sichtbaren, engagierten Intellektuellen, den es eher in Frankreich gibt, in der Bundesrepublik nicht.“ Ursula März: Richard David Precht: Unser Bürgerphilosoph. In: Die Zeit. 5. Januar 2011, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 1. Februar 2019]).
  47. SPIEGEL ONLINE, Hamburg, Germany: KARRIEREN: Vielosoph to go – DER SPIEGEL 34/2011. In: www.spiegel.de. Abgerufen am 21. November 2016.
  48. Prechts Ansatz, befindet Krisha Kops, unterscheide sich von dem sonst in der Philosophie und unter den öffentlichen Intellektuellen hierzulande gebräuchlichen, wo man sich oft mehr dem Schul- als dem Weltbegriff verschrieben habe. Eben darum würden „Weltbegriffsphilosophen“ wie Precht für ihre angebliche Popphilosophie angefeindet. „Dabei versucht er genau das, was Schweitzer tat und Cassirer forderte: das thematisieren, was alle betrifft, und zwar mit einem Duktus, der nicht nur für eine Bildungselite zugänglich ist.“Krisha Kops: Richard David Precht contra Peter Sloterdijk. In: TheEuropean. 21. Mai 2017 (theeuropean.de [abgerufen am 1. Februar 2019]).
  49. AMV Sales Award Sally. (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 26. Januar 2017. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiveni Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  50. deutscher-fernsehpreis.de: Liste der Preisträger 2013 (deutsch, abgerufen am 22. Oktober 2013)
  51. Marc Bartl: Deutscher Fernsehpreis: Precht erhält Auszeichnung für ZDF-Philosophiesendung. In: kress. 26. September 2013, abgerufen am 4. Oktober 2013.
  52. PETA Deutschland e.V.: PETA „Progress Awards 2017“: Tierrechtsorganisation zeichnet Richard David Precht aus. Abgerufen am 19. Juli 2017.
  53. Precht: Die Welt in meinem Kopf (Memento vom 4. März 2009 im Internet Archive), Solinger Tageblatt, 2. Juni 2008.
  54. Film-Besprechung: Lenin kam nur bis Lüdenscheid, Die Tageszeitung, 5. Juni 2008, von Barbara Schweizerhof.

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Harald Lesch, 1960 – 

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Harald Lesch, Mai 2018

Harald Lesch (* 28. Juli 1960 in Gießen) ist ein deutscher Astrophysiker, Naturphilosoph, Wissenschaftsjournalist, Fernsehmoderator und Hörbuchsprecher. Er ist Professor für Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Lehrbeauftragter für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München.

Lesch wuchs als Gastwirtssohn im Ortsteil Nieder-Ohmen der Gemeinde Mücke in Hessen auf. Nach seinem Abitur 1978 an der Theo-Koch-Schule in Grünberg studierte Lesch Physik und als Nebenfach Philosophie zunächst an der Justus-Liebig-Universität Gießen, dann an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er 1984 sein Diplomstudium mit einer Arbeit zum Thema Solar Wind Interaktion with the Interstellar Medium (deutsch „Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem interstellaren Medium“) abschloss. Dort wurde er auch 1987 mit einer am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) angefertigten Dissertation über Nichtlineare Plasmaprozesse in aktiven galaktischen Kernen zum Dr. rer. nat. promoviert. Zwischen 1988 und 1991 war Lesch Forschungsassistent an der Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl. 1991 bis 1995 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIfR in Bonn. 1992 war Lesch Gastprofessor an der University of Toronto. 1994 habilitierte er sich an der Universität Bonn mit einer Schrift zum Thema Galactic Dynamics and Magnetic Fields (dt. „Galaktische Dynamik und Magnetfelder“).

Lesch ist verheiratet und hat einen Sohn. Er lebt in Haar, wo er sich unter anderem in der Bürgerstiftung engagiert. Er ist nach eigener Aussage gläubiger Protestant.

 

Bei einem Vortrag, an der Tafel sein Spitzname Harry, 2010

Seit 1995 ist Lesch Professor für Astrophysik am Lehrstuhl für Astronomie und Astrophysik – Beobachtende und Experimentelle Astronomie an/bei der Universitätssternwarte der Ludwig-Maximilians-Universität MünchenZudem unterrichtet er Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München. Seine Hauptforschungsgebiete sind kosmische Plasmaphysik, Schwarze Löcher und Neutronensterne. Er ist Fachgutachter für Astrophysik der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Mitglied der Astronomischen Gesellschaft. Außerdem ist er Sachbuchautor.

 

Bei einem Vortrag „Wie das Licht in die Welt kommt“ in Jena, September 2015

Bekannt ist Lesch vor allem durch seine Fernsehauftritte, zunächst als Moderator der von 1998 bis 2007 ausgestrahlten Sendereihe alpha-Centauri. Daraus entwickelte sich seine Medienpräsenz im Fernsehen und im Radio. Typisch für seinen Moderationsstil in beiden Medien ist, dass er allein einen Vortrag hält (meist in einem 15-minütigen Rahmen) oder mit einem Gesprächspartner ein Zwiegespräch führt. Auf diese Art versucht er, dem Publikum komplexe wissenschaftliche und philosophische Sachverhalte nahezubringen.

Im Jahr 2005 wurde ihm für seine Fernsehauftritte und Publikationen der Communicator-Preis der DFG und des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft verliehen.

Seit 2005 veröffentlicht Harald Lesch regelmäßig Bücher bzw. Buchbeiträge mit dem Wissenschaftshistoriker Harald Zaun, so z. B. den Bestseller Die kürzeste Geschichte allen Lebens.

2009 wurde ihm für die exzellente Moderation diverser populärwissenschaftlicher Fernsehsendungen und -beiträge vom Verein Mensa in Deutschland der Deutsche IQ-Preis verliehen.

In Anerkennung seiner Verdienste, wissenschaftliche Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen, verlieh ihm die Naturforschende Gesellschaft zu Emden am 15. März 2011 auf ihrer Jahreshauptversammlung die Ehrenmitgliedschaft.

2012 wurde er vom Deutschen Hochschulverband als Hochschullehrer des Jahres ausgezeichnet.

Seit 2014 engagiert sich Harald Lesch außerdem im Beirat der Heraeus Bildungsstiftung.

Seit Oktober 2015 ist Harald Lesch Mitglied des Bayerischen Klimarats.

Lesch nahm 1994 zusammen mit Ranga Yogeshwar, Illobrand von Ludwiger und Heinz Rohde an der von Peter Gatter moderierten Live-Talkrunde UFOs: Gibt es sie wirklich? der ARD in Hamburg teil. Auslöser der Diskussion war Heinz Rohdes umstrittener Dokumentarfilm UFOs … und es gibt sie doch!

Den Anfang seiner Medienkarriere machte Lesch beim Sender BR-alpha, zunächst mit alpha-Centauri, worin er Themen aus dem Bereich der Astrophysik behandelte. Später kamen andere Produktionen desselben Senders hinzu: In Lesch & Co. und Denker des Abendlandes unterhält er sich mit dem befreundeten Philosophieprofessor Wilhelm Vossenkuhl über philosophische Themen. Alpha bis Omega behandelt im Gespräch zwischen Lesch und dem katholischen Theologen Thomas Schwartz Themen im Bereich zwischen Religion und Naturwissenschaften.

Darüber hinaus hat er viele kürzere Sendereihen im Fernsehen moderiert:

  • Anlässlich des Einsteinjahrs 2005 strahlte BR-alpha die achtteilige Reihe Die Physik Albert Einsteins aus, worin in jeder Folge eine einzelne wissenschaftliche Erkenntnis von Albert Einstein von Lesch vorgestellt und in ihrer Bedeutung dargelegt wurde.
  • Ab August 2007 wurde von BR-alpha wöchentlich die 16-teilige Sendung Die 4 Elemente. ausgestrahlt, die sich mit der Beschaffenheit der Welt auseinandersetzt und neben dem naturwissenschaftlichen auch den kulturhistorischen Aspekt behandelt.
  • BR-alpha startete eine Serie LeschZug, in der Lesch beim Fahren in der Münchener U-Bahn seine Meinung zu jeweils einem aktuellen Thema kundtun sollte. In der einzigen produzierten Folge sprach er über die Herausforderung des Klimawandels.
  • Für den Pay-TVSpartenkanal SciFi differenzierte er in der Vortragsserie Star Trek – Science vs. Fiction wissenschaftlich fundierte und fiktive Bestandteile von Star Trek.
  • Von April bis Ende 2007 moderierte Lesch für SciFi wöchentlich die 5-minütige Sendung sci xpert – Leschs Universum, die sich mit Zuschauerfragen befasste, die sich um die Realisierbarkeit von Science-Fiction-Konzepten drehten (etwa: Wie realistisch sind die großen Raumschiffe aus Independence Day?), aber auch rein wissenschaftliche Themen betrafen (z. B. Was ist Gravitation?), die in der Tradition von alpha-Centauri behandelt wurden. Insgesamt entstanden 35 Folgen.
  • Seit September 2008 moderiert er im ZDF die Sendung Leschs Kosmos. Er folgte damit Joachim Bublath, der diese Sendung unter ihrem damaligen Namen Abenteuer Forschung viele Jahre moderiert hatte. Für die Folge Drillen oder Chillen? Der Weg zum Superkind gewann er 2012 den Bayerischen Fernsehpreis.

Zum Start des Internationalen Jahres der Astronomie 2009 moderierte er im ZDF die zweieinhalbstündige Sondersendung Wie das Licht in die Welt kam: die Lange Nacht mit Harald Lesch, in der er – zwischen eingespielten dokumentarischen Filmen – Gespräche mit dem Kabarettisten Christoph Süß, dem Physiker Günther Hasinger und dem Theologen Thomas Schwartz führte.

  • Von 2010 bis 2017 moderierte Lesch auf ZDFneo die viertelstündige Sendung Leschs Kosmos, die 2013 mit Beginn der zweiten Staffel in Frag den Lesch umbenannt wurde. Dieser Reihe entsprang der Video-Kanal „Terra X Lesch & Co“ bei YouTube, eine Produktion des ZDF, in Zusammenarbeit mit objektiv media.
  • 2017 führte Lesch im ZDF durch die dreiteilige Terra-X-Reihe Der große Anfang. 500 Jahre Reformation.
  • 2018 war Lesch Gast in der 33. Folge von Die Anstalt. Thema war die globale Erwärmung und der gesellschaftliche Umgang mit ihr.
  • 2018 führt Lesch im ZDF durch die zweiteilige Terra-X-Reihe Ungelöste Fälle der Archäologie.
 

Harald Lesch mit dem Deutschen Fernsehpreis, 2018

Sonstiges
 Commons: Harald Lesch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    1. Warum Außerirdische schlechte Laune haben. In: Gießener Allgemeine. 23. Juni 2009, abgerufen am 10. Juni 2011.

 

    1. Vorstand der Bürgerstiftung Haar auf buergerstiftunghaar.de

 

    1. „Ich bin vom Scheitel bis zur Sohle Protestant“ – Harald Lesch im Interview, zuletzt gesehen am 5. Juni 2018.

 

    1. Harald Lesch: Curriculum Vitae

 

    1. Pressemitteilung zur Verleihung des Communicator-Preises 2005 an H. Lesch

 

    1. Meine Arbeit mit Harald Lesch – Harald Zaun. In: Harald Zaun. (haraldzaun.de[abgerufen am 21. Februar 2018]).

 

    1. Terra X Lesch & Co. In: YouTube. Abgerufen am 28. Mai 2016.

 

    1. „Sehr hässliche Hassmails“. In: Süddeutsche Zeitung. 15. August 2016. Abgerufen am 25. November 2017.

 

    1. Harald Lesch über Klimaskeptiker. „Die Generation Wirtschaftswunder fühlt sich massiv angegriffen“. In: Geo. 27. April 2017. Abgerufen am 25. November 2017.

 

    1. Nürnberger Astronomische Gesellschaft: Verleihung der Verdienstmedaille in Gold an Harald Lesch (Memento vom 30. März 2014 im Internet Archive)

 

    1. „Naturforschende hat wieder über 100 Mitglieder“. Abgerufen am 9. Juni 2012.

 

    1. Harald Lesch wird Ehrenmitglied. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 13. März 2012; abgerufen am 11. September 2011. i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.

 

    1. Professor Dr. Harald Lesch ist „Hochschullehrer des Jahres“. Abgerufen am 28. November 2011.

 

    1. Hochschullehrer des Jahres 2012. Abgerufen am 5. Juli 2012.

 

    1. Verleihung der Bayerischen Verfassungsmedaille 2016 S. 24.

 

    1. Mitteilung der Starkenburg-Sternwarte (Memento vom 27. Oktober 2010 im Internet Archive), vom 18. Juni 2010.

 

  1. 35357 Haraldlesch (1997 SX9)@ JPL Small-Body Database Browser, abgerufen am 18. August 2011.
 

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16. Mai 2019:

Hinweis von Berit auf 1. Hagen Rether und 2. Nico Semsrott

… zum Thema:  aus Wikipedia, Stand:  , gekürzt:
1. Hagen Rether

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Hagen Rether in Wangen (2008)

Hagen Rether (* 8. Oktober 1969 in Bukarest) ist ein deutscher Kabarettist.

 

Rether verbrachte seine frühen Kinderjahre als Sohn deutschstämmiger siebenbürgischer Eltern im rumänischen Bukarest und in Hermannstadt. 1973 siedelte seine Familie nach Deutschland über und zog nach Freiburg im Breisgau. Rether, der seit seinem achten Lebensjahr Klavier spielt, lebt heute in Essen, wo er Anfang der 1990er Jahre erst ein Studium an der Folkwang-Hochschule absolvierte und anschließend eine Ausbildung zum Heilpraktiker begann, die er aus Zeitmangel nicht abschloss.

Seit 2002 ist Hagen Rether Mitglied des globalisierungskritischen Netzwerks attac. Er ist außerdem Mitglied in der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sowie des Vereins „Integrative Kulturarbeit e.V.“, der soziokulturelle Projekte an Schulen in den sozialen Brennpunkten des Ruhrgebiets organisiert. Zudem unterstützt er Medica mondiale, für welche er mittels Ständen bei seinen Auftritten wirbt.

Hagen Rether in Starnberg (2016) mit seinem Programm Liebe fünf

Bevor er mit einem eigenen Programm auf Tournee ging, war Rether von 1996 bis 2005 als Pianist im Programm von Ludger Stratmann tätig.

Mit seinem Soloprogramm „Liebe“, das er stets aktualisiert und variiert, bietet er seit 2003 scharfzüngiges, vornehmlich politisches Kabarett. Er behandelt in seinem Programm zwar auch tagespolitische Themen, legt seinen Schwerpunkt jedoch eher auf gesellschaftspolitische Themen wie Religion, Massenmedien, Kapitalismus, Konsumismus und Globalisierung.

Zu wichtigen Bereichen für seine thematischen Auseinandersetzungen zählen unter anderem die katholische Kirche, deren Skandale und die Institution des Papsttums sowie die komplexen politischen Verwicklungen der Großmächte, insbesondere die der USA. Er hinterfragt jedoch auch die Vereinnahmung von Vertretern vorgeblich linker Politik durch die Macht des Kapitals („Vorzeigelinker“) und andere Widersprüchlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens. Auch die Parodie (beispielsweise von Jürgen Rüttgers und Herbert Grönemeyer) spielt in seinem Werk eine Rolle. Personen der Zeitgeschichte und des aktuellen politischen Geschehens werden als Objekte seiner Satiren aufs Korn genommen, Massentierhaltung, Fleisch- und Milchkonsum werden von dem bekennenden Veganer heftig kritisiert. Zudem thematisierte er in den letzten Jahren häufiger die wachsende Islamfeindlichkeit, die er in der deutschen Gesellschaft, in der Politik und in den Medien beobachtet.

Markanter Bestandteil seiner Auftritte ist ein schwarzer Konzertflügel, den er bei seinen Bühnenauftritten meist parallel zu seinem Vortrag ebenso „gelangweilt“ wie akribisch reinigt und im weiteren Verlauf sowohl für musikalische Einlagen als auch zur Begleitung seiner sprachlichen Darbietung verwendet – oder aber auch völlig ungespielt lässt. Er sitzt dabei meist nicht auf einem Klavierhocker, sondern auf einem Bürostuhl mit Armlehnen. Als Requisiten für seine Auftritte dienen, neben dem obligatorischen Glas Wasser mit Wasserflasche, einem Putzlappen und einer Sprayflasche mit Reinigungsmittel, häufig auch ein Baseballschläger und einige Bananen, von denen er während seiner Vorstellungen hin und wieder eine oder mehrere verzehrt.

Hagen Rether ist regelmäßig zu Gast in Kabarettsendungen wie den Mitternachtsspitzen (WDR), Neues aus der Anstalt (ZDF) und dem Satire Gipfel (Das Erste).

 Commons: Hagen Rether – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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https://www.facebook.com/watch/?v=10154851041051219

… zum Thema:  aus Wikipedia, Stand: 11. April 2019, gekürzt:

Franz Meurer

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Franz Meurer (2015)

Franz Meurer (* 1951 in Köln) ist ein deutscher katholischer Priester.

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.. zum Thema:  aus Wikipedia, Stand:  , gekürzt:

Barack Obama

Barack Obama (offizielles Porträtfoto, 2012)

Unterschrift von Barack Obama

Barack Hussein Obama II[1] Zum Anhören bitte klicken! [bəˈɹɑːk hʊˈseɪn oʊˈbɑːmə] (* 4. August 1961 in Honolulu, Hawaii) ist ein US-amerikanischer Politiker der Demokratischen Partei. Er war von 2009 bis 2017 der 44. Präsident der Vereinigten Staaten.